Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Rechtsextremes Weltbild breitet sich weiter aus

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Menschenfeindliche und antidemokratische Haltungen nehmen in der Bevölkerung deutlich zu. Auch zeigen sich immer mehr Deutsche offen für Gewalt und den Glauben an Verschwörungen, belegt eine Studie.

Von Simon Sales Prado

Jede zwölfte Person in Deutschland hat ein rechtsextremes Weltbild. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die alle zwei Jahre menschenfeindliche, rechtsextreme und demokratiegefährdende Haltungen in der Bevölkerung untersucht. Rund ein Drittel der diesjährigen Befragten ist der Meinung, Geflüchtete kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen.

Jede zehnte Person findet, dass Frauen sich mehr auf die Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen sollten, und mehr als sechs Prozent befürworten eine Diktatur mit einer einzigen starken Partei und einem Führer. Das berichtet das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld.

Damit haben rechtsextreme Einstellungen in Deutschland stark zugenommen: Mit rund acht Prozent wurde in diesem Jahr bei weit mehr Menschen ein extrem rechtes Weltbild festgestellt als noch vor zwei Jahren - damals waren es unter zwei Prozent. Zwar lehnt eine breite Mehrheit der Befragten antidemokratische Einstellungen weiterhin ab, auffällig ist neben den eindeutig rechten Positionen aber auch der Anstieg im sogenannten Graubereich, also bei Menschen, die extrem rechten Aussagen nicht eindeutig zustimmen, sie aber auch nicht klar ablehnen. Bei der diesjährigen Befragung war das etwa jeder Fünfte.

Ein rechtsextremes Weltbild macht das Forschungsteam an sechs zentralen Mustern fest. Dazu gehören fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen sowie der Glaube an die nationale Überlegenheit und die Verharmlosung des Nationalsozialismus. Indikatoren sind außerdem die Befürwortung einer Diktatur und sozialdarwinistisches Gedankengut, also die Idee, dass es höheres und minderes Leben gibt.

Grundsätzlich sind demokratische Werte in der Mehrheit der Mitte der Gesellschaft zwar weiterhin verankert, das Vertrauen in die Demokratie ist jedoch gesunken. Gleichzeitig glauben mehr Menschen als zuvor an Verschwörungen. Auch der Vorwurf, die Meinungsfreiheit würde beschnitten, wird von deutlich mehr Befragten geteilt.

Ebenfalls zugenommen haben gruppenbezogene menschenfeindliche Ansichten, also etwa gegen Frauen, trans Menschen oder Arbeitslose, sowie die Offenheit für politische Gewalt. Mittlerweile ist rund jede zehnte Person der Ansicht, einige Politikerinnen und Politiker hätten es verdient, wenn Wut gegen sie in Gewalt umschlägt - das sind mehr als doppelt so viele wie in früheren Umfragen.

Für die Studie wurden rund 2000 Menschen im Januar und Februar telefonisch nach ihrer Haltung zu verschiedenen Aussagen befragt. Untersucht wurden so die Akzeptanz und die Verbreitung von rechtsextremen Haltungen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Von einer rechtsextremen Einstellung kann nicht automatisch auf die politische Selbstwahrnehmung der Befragten geschlossen werden. Selbst unter Personen, die sich als links begreifen, konnte die Studie ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild feststellen.

Um als rechtsextrem zu gelten, reicht es nicht, einzelne Ansichten zu teilen. Erst wenn Befragte mehreren dazu passenden Aussagen zustimmen, sprechen die Forschenden von einer manifest menschenfeindlichen, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Einstellung. Laut der Friedrich-Ebert-Stiftung handelt es sich bei den Ergebnissen um konservative Schätzungen, weil bei Telefoninterviews häufig eine gewisse Hemmung besteht, offen zu antworten.

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