Süddeutsche Zeitung

Versammlungsverbot für Pegida-Anhänger und -Gegner:Dresden fällt aus - woanders wird demonstriert

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Morddrohung gegen Pegida-Organisator

Die Sicherheitsbehörden gehen der Terrordrohung von Islamisten gegen die Pegida-Bewegung in Dresden nach. Diese Drohung hat die Polizei zum Verbot aller Versammlungen unter freiem Himmel in der sächsischen Landeshauptstadt an diesem Montag veranlasst. Das gilt für die islamfeindliche Pegida-Bewegung ebenso wie für die geplante Gegendemonstration. Pegida Dresden hatte seine Veranstaltung selbst zuvor bereits abgesagt.

Die Drohung war ganz konkret gegen Pegida-Organisator Lutz Bachmann gerichtet. Das bestätigte die Mitbegründerin der islamfeindlichen Bewegung, Kathrin Oertel, am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Günther Jauch". "Es sind eigentlich alle immer gemeint. Aber es ist natürlich gegen eine Person ganz gezielt gewesen. Und das ist der Organisator Lutz Bachmann", sagte Oertel.

An anderen Orten soll demonstriert werden

An anderen Orten halten Pegida-Ableger und Pegida-Gegner an ihren geplanten Veranstaltungen fest. Kundgebungen sind zum Beispiel in Berlin, Düsseldorf, München, Magdeburg und Saarbrücken geplant.

Die Teilnehmer von "Berlin gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz Bärgida, wollen sich am Abend in der Nähe des Alexanderplatzes treffen. Schon zuvor findet unter dem Motto "Nie wieder Pegida" vor dem Kanzleramt eine Gegendemo statt. Hierzu hat unter anderem der Türkische Bund aufgerufen. Die Polizei will hier die Demonstranten mit einer "angemessenen" Zahl von Einsatzkräften schützen. Zu konkreten Sicherheitsmaßnahmen könne man sich aber nicht äußern, sagte Sprecher Thomas Neuendorf.

Für Bayern sagte ein Sprecher der Polizei, die am Abend bislang geplanten Kundgebungen der Pegida-Anhänger und der Gegendemonstranten fänden in München und in Würzburg wie angekündigt statt. Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen seien nicht geplant.

"Wir haben bislang keine Hinweise auf konkrete Gefährdungen", hieß es von der Polizei in München. Dort sollen etwa 1000 Einsatzkräfte die Demos absichern. In Würzburg seien ebenfalls "keine konkreten Bedrohungen" eingegangen, sagte eine Sprecherin. "Aber wir haben das im Hinterkopf für die Vorbereitungen heute Abend."

Maas sieht Demo-Verbot grundsätzlich kritisch

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht eine Einschränkung des Demonstrationsrechts wegen terroristischer Bedrohungen grundsätzlich kritisch. "Terrordrohung darf niemals dazu führen, dass Meinungen unterdrückt werden - egal ob uns diese Meinungen gefallen oder nicht", sagte Maas am Montag in Berlin. "Egal was von den Positionen von Pegida zu halten ist - soweit der Protest nicht gegen unsere Gesetze verstößt, ist er durch die Meinungsfreiheit gedeckt." Die Demokratie halte auch Pegida aus.

Die große Mehrheit der Bevölkerung lehne die islamkritische Bewegung ab und sei in den vergangenen Wochen gegen Pegida auf die Straße gegangen, so Maas. "Das muss weiter möglich sein", mahnte der Minister, "auch wenn es für die Einzelfallentscheidung der Sicherheitsbehörden in Dresden sicher gute Gründe gab."

Weitere Reaktionen

Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef im Bundestag, sagte im "ARD-Bericht aus Berlin", es sei die "Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit zu schützen". Wenn alle Kundgebungen in Dresden verboten würden, müssten "schon sehr gewichtige Gründe vorliegen". "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Islamisten auf der einen Seite und die Islamhasser auf der anderen Seite die Stimmung in Deutschland hochschaukeln und Gewalt auf den Straßen entsteht", appellierte Oppermann.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte Schutz für das islamfeindliche Bündnis. "Diese Pegida-Demonstration ist widerlich. Aber natürlich haben unsere Behörden dafür zu sorgen, dass auch diese widerlichen Meinungsäußerungen möglich sind", sagte Hofreiter im ZDF-"Morgenmagazin".

Der rheinland-pfälzische Innenminister, Roger Lewentz (SPD), verteidigte im ZDF-"heute journal" das Vorgehen der Behörden. Bei dem ernstgenommenen Hinweis auf einen Mordanschlag könne man doch nicht 10 000 oder 20 000 Menschen zusammenkommen lassen, sagte Lewentz, der derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz der Länder ist. Die Drohung müsse auch im Hinblick auf andere Städte genau bewertet werden.

AfD-Chefin Frauke Petry warf den etablierten Parteien vor, die Lage durch eine "konstante Verunglimpfung der Demonstranten" der Pegida verschärft zu haben. Es sei offensichtlich, dass den übrigen Parteien durch "ihre Verweigerungshaltung und ihre Unfähigkeit, sich des Phänomens Pegida anzunehmen, die politische Lage zusehends entgleitet", sagte Petry. Für die Demokratie in Deutschland sei es ein trauriger Tag, "wenn das Recht der Versammlungsfreiheit durch Gewaltandrohungen gebeugt wird".

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte hingegen deutlich, dass die Polizei in Dresden auch die Demonstration gegen Pegida untersagt hat. "Wenn es eine so konkrete Anschlaggefahr für Pegida-Organisatoren gibt, ist das nachvollziehbar. Warum alle Kundgebungen, auch die für ein offenes und buntes Dresden abgesagt wurden, verstehe ich nicht", sagte die FDP-Politikerin dem Donaukurier.

Beratungen über weiteres Vorgehen

Die Pegida-Organisatoren wollen in Dresden über ihr weiteres Vorgehen beraten. Für 11 Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt. Auch der Innenausschuss des Sächsischen Landtages wird sich voraussichtlich in einer Sondersitzung mit der islamistischen Terrordrohung befassen.

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