Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Ariane braucht Hilfe

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Airbus-Chef Thomas Enders kritisiert, dass Satelliten der EU-Staaten mit US-Trägerraketen transportiert werden. Auch die Bundesregierung steht in der Kritik.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundesregierung stuft die geplante Entwicklung einer neuen europäischen Raumfahrt-Trägerrakete namens Ariane 6 zwar als "überaus wichtig" ein, um den Europäern den "unabhängigen, souveränen Zugang zum All" zu sichern. Dennoch will sich Berlin demnächst eines amerikanischen Konkurrenzprodukts bedienen, um das satellitengestützte Radar-Aufklärungssystem SARah ins All zu schießen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es gebe "keine Überlegungen", auf die Fertigstellung von Ariane 6 zu warten, schreibt Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum. Stattdessen wolle man rasch die in den USA hergestellte Trägerrakete Falcon 9 nutzen. Eine "nachträgliche Änderung" dieses Plans sei nicht mehr möglich.

Dass die Bundesregierung auf diese Weise das US-Raumfahrtprogramm wirtschaftlich unterstützt, ruft Kritik der FDP hervor. Sie sähe die Investition lieber in Europa angelegt. Es sei "erschreckend", sagte Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, wenn sich Thomas Enders, der Vorstandsvorsitzende des Airbus-Konzerns, wie folgt äußere: "Die europäische Raumfahrt wird nicht gestärkt, wenn staatliche oder militärische Satelliten der Mitgliedstaaten aus Kostengründen mit amerikanischen Trägern transportiert werden". Airbus ist der größte europäische Luft- und Raumfahrtkonzern sowie der zweitgrößte Rüstungskonzern.

Der FDP-Abgeordnete Houben fordert, dass die Bundesregierung Trägerraketen aus der eigenen Produktion nutzen solle, um Satelliten ins All zu senden. "Wenn Frau Merkel es mit ihrer Forderung ernst meint, Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und für seine Zukunft kämpfen, dann sollte sie dem Ariane-6-Programm eine sichere Perspektive bieten", sagte Houben. Hintergrund ist der Satz der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen." Merkel hatte damit auf die "America-first-Politik" von US-Präsident Donald Trump reagiert. Nur mit deutsch-französischer Wohlfühl-Rhetorik, sagte Houben, werde die Ariane 6 nicht fliegen.

Hintergrund der Kritik ist auch, dass sich Kritiker allgemein mehr Unterstützung der Bundesregierung für die europäische Raumfahrtwirtschaft wünschen. Der Staat ist zwar der wichtigste Kunde. Konkrete Hilfen für das Ariane-6-Programm werden in der Antwort der Bundesregierung auf die FDP-Anfrage aber nicht genannt. Die Entwicklung verläuft offenbar schleppend, auch deshalb, weil das Unternehmen angeblich nicht genug Aufträge bekommt. Die Projekte Ariane 5 und 6 beschäftigen zusammen 10 000 Mitarbeiter. Wenn die Bundesregierung die europäische Fähigkeit erhalten wolle, Satelliten eigenständig ins All zu befördern, dann sei mehr Einsatz nötig, sagte Houben. Berlin und Brüssel müssten "die Quersubventionierung in der amerikanischen Raumfahrt in den anstehenden Handelsgesprächen mit der US-Administration thematisieren".

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Quelle:
SZ vom 02.08.2018
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