Prozess um Mai-Krawalle:Auf ganzer Linie versagt
Im Prozess um die Mai-Krawalle hat das Landgericht Berlin die Angeklagten freigesprochen. Die Verhandlung war eine einzige Blamage für die Ermittler.
Jedes Jahr am 1. Mai wird die Staatsmacht in Kreuzberg mit Flaschen oder Steinen beworfen. In früheren Jahren revanchierte sie sich mit dem Knüppel, bis der Berliner Innensenator eine erfolgreiche Deeskalationsstrategie durchsetzte. Auf der Straße wurde seither gefeiert, den Krawallbrüdern kam das Feindbild abhanden, die Randale hörte zwar nie ganz auf, aber sie wurde deutlich harmloser.
Bis 2009 jemand Molotowcocktails warf. Einer verletzte eine Demonstrantin, die bis heute unter einer tellergroßen Brandnarbe am Rücken leidet.
Wer "Mollies" in die Menge wirft, wie das verniedlichend in der autonomen Szene heißt, verdient keine Nachsicht, und die Justiz muss bei solchen Delikten hart durchgreifen.
In dem Prozess wegen versuchten Mordes aber, der zwei Berliner Schülern mehr als sieben Monate Untersuchungshaft und jetzt einen Freispruch beschert hat, haben sich die Ermittler in einem Maß blamiert, das mit Schlamperei allein nicht zu erklären ist.
Schon in der Anklage unterliefen dem Oberstaatsanwalt kapitale Fehler. Er legte sich - wohl um ein Exempel zu statuieren - zu früh auf die beiden Beschuldigten fest, kannte wichtige Beweismittel nicht, stellte das Zitat eines Zeugen in einen falschen Kontext, verließ sich blind auf Aussagen der Polizei.
Die dilettierte munter vor sich hin, vergaß Spuren zu sichern, ließ einen Benzinkanister in einem Bettkasten zurück. Er gehörte nicht den Angeklagten, sondern einem der jungen Männer, die die Brandsätze tatsächlich geworfen haben dürften. Dass ihnen die Tat noch nachzuweisen ist, ist unwahrscheinlich. Die autonome Szene kann jetzt triumphieren, das Feindbild Staat ist wiederhergestellt. Auf Wiedersehen am nächsten 1. Mai.