Süddeutsche Zeitung

Prozess:NSU-Zeugen wird Falschaussage vorgeworfen

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Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Er bleibt dabei. Nein, er sei kein V-Mann gewesen, sagt der Zeuge im NSU-Prozess. Zu keiner Zeit habe er dem Verfassungsschutz Informationen gegeben. Und ob er den Neonazis des NSU geholfen habe? Marcel D. sagt: "Ist mir nicht bekannt der NSU." Nach diesen Aussagen beantragen Anwälte der Opfer, Zwangsmittel zu verhängen. Sie wollen den Zeugen zur Wahrheit zwingen - durch Ordnungshaft.

Den Behörden ist Marcel D. sehr wohl als V-Mann bekannt. Ende der 1990er Jahre war er unter dem Decknamen "Hagel" eine der wichtigsten Verfassungsschutz-Quellen in Thüringen. So haben es Beamte bezeugt, und so steht es in den Berichten der NSU-Untersuchungsausschüsse. Marcel D. alias Hagel war eine Führungsfigur in der rechtsextremen Organisation "Blood & Honour". Ein paar Mal soll er Hinweise über das untergetauchte Neonazi-Trio aus Jena geliefert haben. Über Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Bundesanwalt Diemer: "Ordnungshaft kommt nicht in Frage"

Bereits im März hatte Marcel D. vor Gericht abgestritten, V-Mann gewesen zu sein. Das wiederholt er nun an diesem Mittwoch, dem 207. Verhandlungstag. Offenbar will der Mann aus Gera unter gar keinen Umständen als Verräter gelten. Er sagt: Was die Beamten über ihn erzählt haben,, "ist mir eigentlich relativ egal".

Die Verteidiger der Angeklagten Ralf Wohlleben und André E. springen dem Zeugen zur Seite. Man sehe keinen Grund, warum man dem Verfassungsschutz-Leuten mehr glauben sollte als einem anderen Zeugen. In anderen Fällen würde die Nebenkläger den Beamten ja auch nicht alles glauben.

Marcel D. muss sich nun aber auf ein Verfahren wegen Falschaussage gefasst machen. Wer vor Gericht die Unwahrheit sagt, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Man werde den Fall weiterleiten, kündigte Bundesanwalt Herbert Diemer an. Eine Ordnungshaft, um den Zeugen zur Besinnung zu bringen, komme jedoch nicht in Frage. Im Übrigen sei Folter hierzulande verboten, sagt Diemer.

Marcel D. wollte dem NSU-Trio Geld spenden

Auch der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München sieht keinen Grund, Ordnungsmittel zu verhängen. Der entsprechende Paragraf 70 der Strafprozessordnung komme hier nicht in Betracht, sagt Richter Manfred Götzl. Denn der Zeuge habe ja sehr wohl Aussagen gemacht, sich also nicht etwa geweigert, Fragen zu beantworten.

Laut Akten des Verfassungsschutzes hatte sich Marcel D. im November 1999 bei einem anderen Neonazi nach dem untergetauchten Trio erkundigt und eine Geldspende für die drei angeboten. Die Antwort sei gewesen: Die drei würden kein Geld mehr benötigen, weil sie mittlerweile "jobben würden". Ermittler werten dies als Hinweis auf den Beginn einer Serie von Raubüberfällen, die dem NSU zugeschrieben werden.

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