Süddeutsche Zeitung

Prozess in Russland:Kremlkritiker Nawalny wegen Unterschlagung schuldig gesprochen

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In einem neu aufgerollten Prozess hat das russisches Gericht in der Stadt Kirow den Oppositionellen Alexej Nawalny wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Der Richter folgt damit den Forderungen der Anklage. Die verhängte Strafe fällt damit deutlich härter aus als in einem ersten Prozess im Jahr 2013.

"Die Angeklagten haben Mittel der Firma Kirowles unterschlagen", sagte der Richter. Nawalny war zur Last gelegt worden, einer staatlichen Firma Bauholz im Wert von etwa 16 Millionen Rubel (etwa 250 000 Euro) gestohlen zu haben. Nawalny selbst hatte auf Freispruch plädiert. Er kündigte an, in Berufung zu gehen und an der Präsidentenwahl im kommenden Jahr teilzunehmen.

Der 40-Jährige zeigte sich bereits vor der Urteilsverkündung sicher, dass er mit einer Verurteilung rechnen muss - und zwar wegen seiner politischen Ambitionen. Er will 2018 zur Wahl zum Staatspräsidenten antreten, bei einer Verurteilung wäre ihm das verwehrt. "Der Kreml wird sein Bestes tun, mich nicht an der Wahl teilnehmen zu lassen", sagte der Oppositionelle vor ein paar Tagen bei der Eröffnung seines Wahlkampfbüros in Sankt Petersburg.

Schuldig gesprochen wurde auch Nawalnys Mitangeklagter und früherer Geschäftsparnter Pjotr Ofizerow. Für ihn hatte die Anklage vier Jahre Haft auf Bewährung gefordert.

Prägende Figur der Protestbewegung

Nawalny war bereits 2014 in einem Strafprozess zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stufte den Prozess aber als unfair ein, das Oberste Gericht Russlands ordnete eine Neuaufnahme an.

Der Rechtsanwalt Nawalny war nach der umstrittenen Parlamentswahl Ende 2011 eine der prägenden Figuren der Protestbewegung. Als er 2013 zur Bürgermeisterwahl in Moskau antrat, erhielt er beachtliche 27 Prozent der Stimmen, obwohl staatliche Medien ihn nicht beachteten.

Aufsehen hatte sein Fall vergangene Woche auch erregt, weil Nawalny von Beamten aus seinem Moskauer Büro abgeführt und zum Gericht nach Kirow gebracht worden war. Zuvor war Nawalny angeblich mehrfach nicht zu Verhandlungen erschienen.

Bundesregierung lässt Schuldspruch unkommentiert

Die Regierung in Berlin will sich zum Schuldspruch vorerst nicht äußern. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer wollte das Urteil gar nicht kommentieren.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte, es sei offensichtlich ein Fall, der aus Sicht der russischen Öffentlichkeit nicht nur Bedeutung für Fragen der Justiz habe. "Aber ich werde mich jetzt nicht darauf festlegen, ob das ein politisches Verfahren oder politische Justiz ist", fügte er hinzu. Grundsätzlich wünsche sich die Bundesregierung, dass sich jeder, der das möchte, zur Wahl stellen könne - "das ist das Wesen einer Demokratie und so würden wir uns das auch wünschen".

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