Süddeutsche Zeitung

Profil:Ueli Maurer

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Der Bundespräsident der Schweiz liebt Spielzeug und manchmal scharfe Töne.

Von Isabel Pfaff

Es ist ein kurzer Moment auf dem Weltwirtschaftsforum, der Ueli Maurer gehört. Flink erklimmt der 68-Jährige am Dienstagvormittag die Stufen zum Podium, hält eine knappe Begrüßungsrede auf Deutsch, Französisch und Englisch und wünscht den 3000 Teilnehmern des Forums beherzt "fun and pleasure", bevor er wieder im Dunkel des Saals verschwindet. Man kann wohl davon ausgehen, dass in diesem Moment ein Aufatmen durch die Schweizer Reihen im Publikum ging. Denn Ueli Maurer, der amtierende Bundespräsident der Schweiz, der sich in Davos so staatsmännisch präsentierte, kann auch anders.

Maurer, ein kleiner Mann mit lichtem Haar, ist ein Schwergewicht der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Von 1996 bis 2008 war er ihr Präsident, also genau in jener Phase, in der die SVP in ganz Europa mit ausländerfeindlichen Positionen und Plakaten von sich reden machte, auf denen weiße Schafe ein schwarzes aus der Schweiz kicken. Er galt in der eher sanfte Töne gewöhnten Schweiz als Scharfmacher, beleidigte Abgeordnete anderer Parteien, und verglich abtrünnige SVP-Mitglieder mit einem Blinddarm, den man entfernen müsse.

2009 wurde Maurer Mitglied im Bundesrat, dem siebenköpfigen Regierungsgremium der Schweiz. Viele im Land fragten sich, wie das gehen sollte - ist doch der Bundesrat, anders als das Kabinett in Deutschland, ein kompromissorientiertes Gremium, in dem die Parteizugehörigkeit in den Hintergrund tritt, zugunsten gemeinsam erarbeiteter Lösungen. Tatsächlich fremdelte Maurer zunächst mit dem Amt. Anfangs zuständig für Verteidigung und Armee, passierten ihm immer wieder Patzer. Mal war es ein sexistischer Witz, mit dem er versuchte, für ein neues Kampfflugzeug zu werben. Dann ein Spielzeughaus mit abnehmbarem Dach, das er zu Veranstaltungen mitbrachte, um zu zeigen, wie es um die Sicherheit der Schweiz bestellt ist. 2014 machte Maurer sich für den Austritt der Schweiz aus der Europäischen Menschenrechtskonvention stark - eine typische SVP-Position, mit der er im Bundesrat aneckte.

Maurer, der Bauernsohn aus dem Kanton Zürich, der immer etwas linkisch im Anzug wirkt und lieber in Pullover oder Jogging-Jacke auftritt, wurde zum Lieblingsopfer der Schweizer Satiriker. Doch die Jahre im Bundesrat hinterließen ihre Spuren. 2016 gab Ueli Maurer das Verteidigungsressort ab und übernahm das Finanzministerium. Spätestens da, sagen Beobachter, habe eine Verwandlung eingesetzt - vom scharfzüngigen Parteipolitiker mit Gaga-Momenten zum versöhnlichen Staatsmann.

Im Dezember wählte ihn das Schweizer Parlament für ein Jahr zum Bundespräsidenten. Das vor allem repräsentative Amt rotiert unter den sieben Bundesräten, Maurer übernahm es als dienstältester Bundesrat zum zweiten Mal. Die Stimmenzahl gilt als Beliebtheitstest: Nach einem bescheidenen Votum 2012 erhielt Maurer diesmal mit 201 Stimmen das beste Ergebnis eines Bundespräsidenten seit Jahrzehnten. Mit seiner Rede erntete er Jubel, quer durch alle Fraktionen.

Doch ganz abgelegt hat Ueli Maurer seine alten Gewohnheiten nicht. Gerade erst griff er wieder zum Holzspielzeug als rhetorischem Mittel: "Ich habe hier eine hölzerne Kuh", sagte er in seiner Neujahrsansprache und zeigte auf ein rot geflecktes Spielzeugtier mit Glöckchen. Sie stehe für die Schweizer Werte: für die direkte Demokratie, für Föderalismus, Pünktlichkeit und Tüchtigkeit. Wie genau diese Werte mit einer Kuh zusammenhängen, sagte Maurer nicht, dafür hielt er kurz darauf sein Smartphone in die Kamera: "Zwischen diesen Welten bewegen wir uns!"

Dem Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, hat diese Stelle offenbar gefallen, er zitierte sie, als er den Bundespräsidenten am Dienstag ankündigte. Die meisten Schweizer dürften froh gewesen sein, dass Maurer die Kuh zu Hause gelassen hat.

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SZ vom 23.01.2019
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