Süddeutsche Zeitung

Profil:Simon Brodkin

Lesezeit: 2 min

Dreister Komiker aus England, der jetzt auch Volkswagen vorführt.

Von Björn Finke

Der vermeintliche Mechaniker betritt die Bühne von rechts. Links steht das neue Volkswagen-Modell namens "Up!", in der Mitte Marketing-Vorstand Jürgen Stackmann. Der VW-Manager stellt den Kleinwagen hier auf dem Genfer Autosalon vor. Der Mann im Mechaniker-Aufzug eilt zum Auto, in der Hand einen Schraubenschlüssel und eine Kiste mit der Aufschrift "Cheat Box", also Schummelkasten. "Ich habe einen neuen Schummelkasten", sagt er - auf Englisch - und kniet sich vor den Wagen. Er will die Box unten am Motor befestigen. Stackmann schaut erst verdutzt, dann geht er zu dem Mann und versichert ihm, das Fahrzeug müsse nicht repariert werden. Drei muskulöse Herren führen den Störenfried schließlich weg.

Dieser Störenfried ist Simon Brodkin, ein englischer Komiker, im Königreich bekannt aus dem Fernsehen und von der Bühne. Mit der Schummelkasten-Posse spielt der 38-Jährige auf den Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen an.

In gewisser Weise darf sich der Dax-Konzern geehrt fühlen, denn Brodkin nimmt mit Vorliebe die Großen und Mächtigen auf die Schippe. Etwa den früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter. Im Juli bewarf er Blatter auf einer Pressekonferenz in der Zentrale des Fußball-Weltverbands mit Dollar-Noten - Brodkins Kommentar zu den Korruptionsvorwürfen gegen Blatter. Das Geld sei echt gewesen, sagt der Komiker später, seine eigenen 600 Dollar. Bilder des traurig dreinschauenden Fußball-Paten im Schein-Regen druckten viele Zeitungen im Dezember noch einmal, in ihrer Sammlung der Fotos des Jahres.

Kurz vor der Dollar-Attacke in Zürich gelang es dem komischen Serientäter, auf einem Festival in England zum US-Rapper Kanye West auf die Bühne zu kommen. Brodkin hatte eine Schirmmütze verkehrt herum aufgesetzt und ein Mikrofon in der Hand gehalten. Mit dieser eher schlichten Verkleidung überzeugte er die Sicherheitsleute, er sei Wests Duett-Partner.

Wer Sicherheitsleute austricksen will, müsse selbst das Gefühl haben, er gehöre dorthin, sagt Brodkin - auf die Festival-Bühne, in die Fifa-Pressekonferenz, zur Auto-Vorstellung. Eine souveräne Ausstrahlung ist auch in dem Beruf wichtig, den der gebürtige Londoner zunächst ausübte: Er studiert Medizin an der Universität in Manchester und arbeitet danach als Arzt im Krankenhaus. Nebenher tritt er abends als Stand-up-Comedian auf. Erstmals im Fernsehen ist er 2003 zu sehen.

Als Vorbild nennt er unter anderem Sacha Baron Cohen, den britischen Komiker, der etwa in der Rolle des Journalisten Borat aus Kasachstan seinen amerikanischen Gesprächspartnern Entlarvendes entlockte. Das gelingt Brodkin nicht. Die Scherze auf Kosten von Kanye West, Sepp Blatter oder Volkswagen erzeugen lustige Bilder, aber die Zuschauer lernen dadurch keine neuen Seiten der Opfer kennen.

Das Publikum erfährt nur, dass Sicherheitsvorkehrungen offenbar leicht zu umgehen sind.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2016
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