Süddeutsche Zeitung

Profil:Mohammad Rasoulof

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Erfolgreicher iranischer Regisseur, von Haft bedroht.

Von Susan Vahabzadeh

Als am 29. Februar zum Abschluss der diesjährigen Berlinale die Bären vergeben wurden, war der eigentliche Sieger nicht dabei. Den Goldenen Bären für den besten Film hatte Mohammad Rasoulof gewonnen, für "Es gibt kein Böses" - vier Episoden über die Todesstrafe, gleichermaßen brachial wie poetisch. In der ersten sieht man einen liebevollen Familienvater, der nachts nicht schlafen kann - ein Henker im Privatleben. In der letzten geht es um einen Mann, der sein ganzes Leben der Entscheidung untergeordnet hat, niemanden umzubringen, nicht mal auf Befehl, und der keinen Fuchs dafür erschießen würde, dass er Hühner stiehlt. Rasoulof konnte nicht zum Festival kommen, seine Tochter Ranan nahm den Goldenen Bären an seiner Stelle entgegen.

Rasoulof, der zeitweise in Hamburg lebt, wurde 2017 wegen "Propaganda gegen das System" zu einem Jahr Haft verurteilt und durfte Iran nicht mehr verlassen. Im März, kurz nach seinem Sieg bei der Berlinale, sollte er dann tatsächlich ins Gefängnis - er musste die Haftstrafe aber wegen des schweren Covid-19-Ausbruchs in Iran im März zunächst nicht antreten. Tausende Inhaftierte wurden deswegen in Iran nach Hause geschickt, zurzeit steigen die Zahlen der Infektionen mit dem Coronavirus dort gerade wieder - und ausgerechnet jetzt soll Rasoulof nach Informationen des Auswärtigen Amtes inhaftiert werden.

Sie sei "alarmiert", so Bärbel Kofler, die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. "Iran hat sich mit der Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu achten und zu schützen. Ich appelliere daher an die iranischen Justizbehörden, das Urteil gegen Mohammad Rasoulof aufzuheben und ihm die Möglichkeit zu geben, frei und ungehindert sein künstlerisches Werk fortzusetzen", heißt es in ihrer Stellungnahme.

Mohammad Rasoulof wurde 1973 in Schiras geboren und hat Soziologie studiert, bevor er in den Neunzigerjahren begann, Kurzfilme zu drehen. Sein erster langer Film, "Gagooman", wurde 2002 noch beim Filmfestival in Teheran ausgezeichnet, inzwischen sind seine Filme in Iran so gut wie unsichtbar - internationale Festivals tragen sie in die Welt. Rasoulof war mit seinen Filmen mehrfach in Cannes zu Gast; sein Film "A Man of Integrity" über Korruption gewann dort 2017 die Nebenreihe "Un certain regard".

Rasoulof wurde schon 2010, während der Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen, die im Jahr zuvor stattgefunden hatten, gemeinsam mit dem Regisseur Jafar Panahi verhaftet, mit dem er gelegentlich zusammenarbeitet. Beiden wurde über die Jahre Berufsverbot erteilt, schon damals wurden sie zu einer Haftstrafe verurteilt, letztlich aber unter Hausarrest gestellt. Trotzdem machen beide immer weiter.

Sein Film "Manuscripts don't burn" (2013), der zum Festival in Cannes geschmuggelt werden musste, bezieht sich auf die Kettenmorde in den Neunzigerjahren, als viele Intellektuelle - Schriftsteller, Verleger und Journalisten - vom Geheimdienst umgebracht wurden. Über den Prozess, der einigen Geheimdienstlern anschließend gemacht wurde, kann man streiten, die Mordserie an sich ist damit aber eingeräumt. Auch "Es gibt kein Böses" ist nicht diffuse Regimekritik, sondern ein Film über die Todesstrafe. Es kommt zwar auch die Hinrichtung von politischen Häftlingen vor, aber der Soldat, der in der zweiten Episode meutert und sich weigert, ein Todesurteil zu vollstrecken, will explizit nicht wissen, was der Häftling, den er zurücklässt, getan hat. Es geht ums Prinzip. Rasoulofs Filme sind keine Kritik mit breitem Pinselstrich. Sie stellen ganz gezielt eine Forderung auf: die nach der Freiheit der Ideen und Meinungen - und vor allem nach der Freiheit der Kunst.

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SZ vom 06.06.2020
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