Süddeutsche Zeitung

Profil:Kobus van der Merwe

Lesezeit: 2 min

Spitzenkoch aus Südafrika, kurz vor der Pleite.

Von BERND DÖRRIES

Es ist eine Liebeserklärung an einen Abend, die Kobus van der Merwe verfasst hat, eine Erinnerung an eine heile Welt - ein offener Brief an Cyril Ramaphosa, den Präsidenten Südafrikas, der erst einmal eine ganze Weile auf rührende Art um jenen Tag im Dezember 2019 kreist: Damals kam Ramaphosa ins Wolfgat, das kleine Restaurant von Kobus van der Merwe, eine winzige Fischerhütte am Strand mit gerade mal 20 Plätzen. Der Präsident erschien mit Familie und plauderte und stellte die fast schon philosophische Frage, ob man im Wein den "Sonnenschein" schmecken könne. Das Wolfgat war gerade in Paris zum besten Restaurant der Welt gewählt worden und Ramaphosa für viele noch der beste Präsident, den Südafrika unter den gegebenen Umständen bekommen konnte.

Ein halbes Jahr später sind viele Südafrikaner von Ramaphosa enttäuscht - und das Wolfgat steht vor dem Abgrund. Beides hängt zusammen. "Wir flehen Sie an, Herr Präsident, helfen Sie der Wein- und Restaurantindustrie, heben Sie das pauschale Alkoholverbot auf", schreibt van der Merwe, 40, in seinem Brief.

Als Ramaphosa damals im Wolfgat war, bestellte er das Sieben-Gänge-Menü mit Weinbegleitung, die in Südafrika oft so großzügig bemessen wird, dass man einigermaßen betrunken das Lokal verlässt. Seit Ende März dürfen Restaurants keinen Alkohol mehr ausschenken und dürfen nur bis 21 Uhr geöffnet haben, was dazu führt, dass sich die Lust vieler Südafrikaner in Grenzen hält, auswärts essen zu gehen. Mittlerweile schließen die Restaurants massenweise, erst traf es nur die, die ohnehin nicht so gut liefen, in Kapstadt und Umgebung machen nun aber auch täglich solche zu, die eigentlich als Institution galten.

Das Wolfgat ist eher ein Außenseiter, der sich von ganz weit draußen an die Spitze geschlichen hat. Van der Merwe hatte nach der Schule ein Jahr lang eine Ausbildung zum Koch gemacht, dann aber schnell die Lust verloren, als Journalist rezensierte er klassische Musik, später baute er die Internetseiten für ein Online-Kulinarik-Magazin. Aber etwas schien zu fehlen. Er zog in die Provinz, nach Paternoster an der Westküste, ein paar Fischrestaurants gab es damals im Ort, von denen die meisten den Fisch zu Tode frittierten.

Van der Merwe stapfte durch die Dünen und schaute, was es sonst noch gab. Er fand Zutaten, die in Vergessenheit geraten waren, salzigen Dünenspinat und wilden Sellerie. Er kreierte Menüs, die erst einmal nur Kopfschütteln hervorriefen. "Alles Exotische wurde in Südafrika beklatscht, während wir so viele lokale und einheimische Zutaten hatten, die wir einfach vergessen haben", sagte er in einem Interview. Er kochte also regional und saisonal, was mittlerweile fast alle Restaurants von sich behaupten, seit das berühmte Noma in Kopenhagen damit so großen Erfolg hat. Viele Restaurants würden letztlich aber nur das ernten, was in ihrem Garten wächst. "Wir sind in Südafrika in einer interessanten Situation, haben elf offizielle Sprachen, verschiedene Hintergründe, es gibt keine südafrikanische Küche, die wäre unmöglich zu definieren." Er versuche mit seiner Küche nur, die Geschichte der Region Paternoster zu erzählen und zu verändern - wohl auch ein Grund, weshalb er 2019 den "World Restaurant Award" gewonnen hat, der sich nicht nur auf die klassische Spitzengastronomie konzentrieren will.

In seiner Küche arbeiten vor allem Frauen aus dem Dorf, von denen keine eine gastronomische Ausbildung hat, dafür umso mehr Enthusiasmus.

Nach dem Preis war das Restaurant auf Monate ausgebucht, auch weil man hier so günstig Weltklasseniveau bekommt wie sonst nirgends auf der Welt, etwa 50 Euro kostet ein Sieben-Gänge-Menü. Derzeit ist die Nachfrage so gering, dass van der Merwe nur an zwei Abenden öffnet. Und sich Sorgen um die Zukunft macht. Der Präsident hat bisher nicht geantwortet auf seinen Brief.

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SZ vom 14.08.2020
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