Süddeutsche Zeitung

Profil:Jeremy Issacharoff

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Israels Botschafter in der Bredouille zwischen Job und Familie.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Für seinen ersten Auftritt als israelischer Botschafter in Deutschland wählte Jeremy Issacharoff das Gleis 17 am Berliner Bahnhof Grunewald. Von dort wurden Zehntausende Juden in die Vernichtungslager transportiert. Und die Erinnerung an die Shoah, davon ist der 62-Jährige überzeugt, wird das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland immer prägen.

An seiner Seite waren Ehefrau Laura und die erwachsenen Kinder Ella und David. Nicht dabei war der älteste Sohn Dean, der in diesen Tagen in allen israelischen Medien präsent ist. Der 25-Jährige ist Sprecher der Organisation "Breaking the Silence", die immer wieder Übergriffe israelischer Soldaten im Westjordanland öffentlich macht. Weil sich Außenminister Sigmar Gabriel auch mit dieser Gruppe im April getroffen hatte, sagte Israels Premier Benjamin Netanjahu einen Termin ab.

Nun sorgt der Botschaftersohn mit einer Selbstbezichtigung für Aufsehen: Er habe als Soldat der Nahal-Brigade in Hebron einen unbewaffneten Palästinenser geschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und befand: Er sei ein Lügner. Daraufhin publizierte "Breaking the Silence" ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Issacharoff einen im Gesicht verletzten und mit Kabelbindern gefesselten Palästinenser abführt. Dass er ihn schlägt, ist nicht zu sehen. Israelische Medien berichteten dann, dass ein ganz anderer Palästinenser vernommen worden sein soll. Ein Kamerad unterstützte indes Issacharoffs Version.

Vizeaußenministerin Tzipi Hotovely wies nun alle Botschafter an, gegen die "Lügner" von "Breaking the Silence" aufzutreten und Druck auszuüben, damit die Finanzierung gestoppt werde. Als Förderer in Deutschland wird Misereor genannt. Die Weisung bringt Botschafter Issacharoff in einen Konflikt. Seine Frau Laura verlangte auf Twitter von israelischen Ministern, Hetze gegen "Breaking the Silence" einzustellen - der Botschafter hat dieses Tweet weitergeleitet. In sozialen Medien, die er als noch neuer Twitter-Nutzer verfolgen kann, wird übel über ihn hergezogen. Der in London geborene Diplomat, der erst nach dem mit Auszeichnung absolvierten Jurastudium an der London School of Economics nach Israel kam, sprach in einem Welt-Interview offen über familiäre Differenzen: "Mein Sohn Dean weiß, was ich denke, und er respektiert meine Meinung."

Issacharoff war die Nummer zwei im Außenministerium. Dessen Chef ist Premierminister Netanjahu, den er aus gemeinsamen Tagen in der UN-Vertretung in New York kennt. Er war aber auch Berater des früheren Außenministers Schimon Peres. Der kommunikative, bullig wirkende Diplomat genießt im Ministerium einen exzellenten Ruf als Terrorexperte und Iran-Kenner. Kollegen äußern Mitleid. Ob er in Berlin bleiben darf, darauf will sich in Jerusalem derzeit niemand festlegen, auch wenn die Vizeaußenministerin via Twitter erklärte: "Jeremy ist ein exzellenter Botschafter."

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Quelle:
SZ vom 23.11.2017
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