Süddeutsche Zeitung

Profil:François-Louis Michaud

Lesezeit: 2 min

Frauen­förderung hilft Aufseher der Banken. Das Europaparlament hat dafür gestimmt, dass Michaud neuer Geschäftsführer der EBA in Paris wird.

Von Björn Finke

Nach der Niederlage nun der Sieg: Das Europaparlament hat mit recht komfortabler Mehrheit dafür gestimmt, dass François-Louis Michaud neuer Geschäftsführer der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) in Paris wird. Dabei hatte noch vergangene Woche der zuständige Fachausschuss die Ablehnung des Franzosen empfohlen, wenn auch mit dem denkbar knappen Ergebnis von 24 zu 23 Stimmen. Dass das Plenum in Personalfragen vorherige Voten der Ausschüsse ignoriert, ist ungewöhnlich - und dürfte daran liegen, dass selbst jene Abgeordnete, die sich gegen Michaud aussprachen, seine Eignung nicht infrage stellen.

Der Grund für die Gegenstimmen und seine Niederlage im Ausschuss ist vielmehr Ärger über die Berufungspraxis der EU-Bankenaufsicht. Zahlreiche Abgeordnete fordern, dass der EBA-Aufsichtsrat ihnen die Wahl zwischen mindestens einem männlichen Bewerber und einer weiblichen Bewerberin lassen sollte. Vor einem Jahr verabschiedete das Parlament sogar einen Beschluss, der das bei künftigen Besetzungen von Spitzenposten in Finanz- und Wirtschaftsbehörden der EU anmahnt. Bislang sind Frauen hier krass unterrepräsentiert; die neue Vorgabe soll das ändern. Doch die Bankenaufsicht schlug trotzdem allein Michaud vor - und der zuständige Wirtschaftsausschuss ließ ihn deswegen vorige Woche durchfallen.

Bei der entscheidenden Abstimmung im Plenum könnte dem 49-Jährigen ein Versprechen geholfen haben: "Eine meiner Hauptprioritäten als Exekutivdirektor wird sein, Geschlechterbalance auf allen Ebenen der Organisation zu sichern", sagt der Volkswirt, der an einer Pariser Wirtschaftshochschule studiert und am Anfang seiner Karriere lange bei der französischen Notenbank gearbeitet hat. Später zog es ihn zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, bevor er zu Frankreichs Finanzaufsicht und 2014 zur Europäischen Zentralbank nach Frankfurt wechselte. Dort war er stellvertretender Chef jener Generaldirektion, die für die Überwachung der größten Banken in den Euro-Staaten zuständig ist.

Diese Erfahrungen werden ihm als Geschäftsführer der EBA sicher nützen. Die Behörde, die früher in London ihren Sitz hatte, koordiniert die Arbeit der nationalen Bankenkontrolleure in Europa, etwa der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die gerade wegen des Wirecard-Skandals in der Kritik steht. Daneben entwickelt die EBA Standards und Regeln für die Branche und organisiert Stresstests, in denen Banken beweisen müssen, dass sie krisenfest sind.

Doch die Personalquerelen an der EBA-Spitze haben selbst schon Krisenausmaße angenommen. Alles fing damit an, dass Michauds Vorgänger Ádám Farkas, ein Ungar, vor einem Jahr verkündete, abzutreten und Anfang 2020 Chef des Brüsseler Lobbyverbands AFME zu werden. Diese Association for Financial Markets in Europe bündelt die Interessen von Versicherern, Banken und Fondshäusern. Der oberste Kontrolleur will für die Kontrollierten tätig sein: Das ist heikel, und deshalb verhängte die EBA Auflagen. So darf Farkas zwei Jahre lang seine ehemaligen Arbeitskollegen nicht kontaktieren. Allerdings sehen Kritiker im Europaparlament diese Vorgaben als viel zu lax an.

Der EBA-Aufsichtsrat, in dem die Leiter der nationalen Kontrollbehörden sitzen, schlug Gerry Cross als Nachfolger vor. Aber das Plenum des Europaparlaments lehnte Cross im Januar ab, weil der Ire früher ebenfalls für die Lobbygruppe AFME gearbeitet hatte. Michaud war dann die zweite Wahl der EBA-Aufseher - und kam trotz der vermasselten Generalprobe im Ausschuss schließlich durch. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber klagt jedoch, "mit dieser Farce" sei "viel Porzellan zu Bruch gegangen". Und das völlig unnötigerweise, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der europäischen Christdemokraten. Denn: "Es hätte durchaus qualifizierte Kandidatinnen gegeben."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4962009
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.07.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.