Süddeutsche Zeitung

Polizistenmörder von Baton Rouge:Staatsfeindlich aus Überzeugung

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Der dreifache Polizistenmörder von Baton Rouge war Teil einer Bewegung, die staatliche Autorität rigoros ablehnt - und nun auch in der schwarzen Community immer mehr Anhänger findet.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Einen Tag nach dem Polizistenmord von Baton Rouge sind sich die Ermittler sicher: Der schwer bewaffnete Gavin Long ging bei seiner Tat gezielt vor.

Am Sonntagmorgen ignorierte er zunächst Passanten und wartete auf die Begegnung mit den Uniformierten, bevor er das Feuer auf sie eröffnete. Drei der Polizisten starben, drei wurden verletzt, bevor der Schütze schließlich getötet wurde.

Über die Motive des 29-jährigen Afroamerikaners aus Missouri geben zahlreiche (inzwischen entfernte) Youtube-Videos, seine Tweets, Podcasts und selbstverlegte E-Books Aufschluss, ohne jedoch ein eindeutiges Psychogramm zu markieren.

Long war fünf Jahre Elitesoldat und auch im Irak stationiert, für sein tadelloses Verhalten erhielt er eine Auszeichnung. Nach einer zweijährigen Reise durch afrikanische Länder gab er sich 2015 den Namen Cosmo Setepenra und versuchte sich als Ernährungs- und Lebensberater einen Namen zu machen.

Neben Wegen zum " spirituellen Erfolg" und "kosmischen Regeln" verbreitete er dabei auch rassistische Theorien wie fehlende Empathie von Weißen durch einen Mangel an Hautpigmenten. Zugleich forderte er ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von der Hautfarbe.

Was es braucht? "Geld oder Blut"

In den vergangenen Monaten hatte der Mann aus Kansas City häufig die Polizeigewalt gegen Schwarze kritisiert. Nach den jüngsten Vorfällen - unter anderem dem Tod eines Afroamerikaners in Baton Rouge durch Polizeigewalt - rief er zu gewalttätigen Reaktionen statt friedlicher Proteste auf. Am Ende führten demnach nur zwei Mittel zur Veränderung: "Geld oder Blut".

In einem seiner Videos betonte Long, keiner Gruppe anzugehören. Gerichtsdokumenten und einem Ausweis zufolge war er jedoch Anhänger der "Washitaw Nation". Die lose organisierte Gruppe hat ihren Ursprung in Louisiana und folgt der Ideologie der "Souveränen Bürger", einer extremen Anti-Regierungs-Bewegung, die staatliche Autorität nicht anerkennt.

"Eigentlich war das ein Feld der weißen Rechten", erzählt Mark Pitcavage, der am "Center on Extremism" über die Strömung forscht, "aber seit den 1990ern werden mehr und mehr Nicht-Weiße von der Ideologie angezogen".

Sicherheitsbehörden schätzen, dass etwa 300 000 US-Amerikaner ihren Staat als historisch nicht legitimiert betrachten und deshalb der Ansicht sind, dass dessen Gesetze für sie nicht gelten. Das FBI warnt bereits seit Längerem vor dem "Sovereign Citizen Movement" und nennt es inzwischen die größten einheimische Terror-Bedrohung.

Ähnliche Bewegungen gibt es inzwischen auch in Kanada, Australien, Großbritannien und Irland, im weiteren Sinne lassen sich auch die rechten "Reichsbürger" in Deutschland mit diesem Etikett versehen.

Schlechte Zeiten helfen den "Souveränen"

Die Washitas sind eine Splittergruppe der "Moorish", die sich als Nachkommen eines (der Forschung völlig unbekannten) afrikanischen Volkes betrachten, das noch vor Kolumbus' Entdeckung aus Afrika nach Amerika eingewandert sein soll - und sich somit in seiner Herkunft über die Sklaverei erhebt.

Die Washitas betrachten sich als Teil einer Hochkultur am Mississippi und die rechtmäßigen Besitzer des Bundesstaats Louisianas, ungebunden an die örtlichen Gesetze. In New Orleans hielten jüngst einige Anhänger unter Verweis auf ihr vermeintliches Eigentum einige Häuser besetzt.

Militante Aktionen lehnen die amerikanischen "Souveränen" allerdings in der Regel ab, zu ihren Praktiken gehören selbst ausgestellte Führerscheine, Fahren ohne Nummernschild, die Verweigerung von Steuerzahlungen, Nonsens-Klagen oder sogar die Gründung eigener Gegen-Institutionen. Seit dem Jahr 2000 hatten Anhänger der "Souveränen Bürger" bis zu Longs Tat insgesamt sechs Polizisten getötet. Bislang hatte es sich bei den Tätern allerdings stets um Weiße gehandelt.

Während der Unruhen in Ferguson waren jedoch bereits zwei Afroamerikaner verhaftet worden, die einen Bombenangriff auf eine Polizeistation geplant hatten. Einer der beiden gehörte den "Souveränen" an. "Die Bewegung wächst, wenn die Zeiten wirtschaftlich schlecht sind", sagt Forscher Pitcavage, "und Social Media ermöglicht die einfache Verbreitung der Ideen, obwohl diese pseudo-historisch und pseudo-juristisch sind."

Radikalisierung braucht nicht mehr direkten Kontakt

Wiederholt sich in der neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung der Konflikt zwischen Anhängern friedvoller Proteste und Befürwortern von Gewaltakten, wie er in den Sechzigern zu erleben war? Bislang deutet nichts darauf hin, dass die Täter von Baton Rouge und Dallas größere Unterstützung genießen. Zudem ist der persönliche Anteil an ihrem Motiv ungeklärt, Regierung und Behörden verzichten bislang darauf, die Attacken als "Terror" zu bezeichnen.

Im Amerika der Gegenwart, das zeigen auch die Attacken von San Bernardino und Orlando, braucht es jedoch kein eindeutiges Motiv, keine Gruppen-Zugehörigkeit und kein Netzwerk, um eine Nation zu terrorisieren. Eine Waffe und genügend Kaltblütigkeit genügen.

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