Süddeutsche Zeitung

Polizeiliche Kriminalstatistik:Jugendliche seltener straffällig - aber brutaler

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Die deutsche Polizei registriert eine Zunahme der Alltagskriminalität, dafür aber weniger Gewaltdelikte. Auch die Jugendkriminalität ist rückläufig.

Susanne Höll

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) war die Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik eine Premiere, schließlich ist er erst seit Herbst im Amt. Sein Resümee der Sicherheitslage in Deutschland schloss sich aber nahtlos an das seiner Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) und Otto Schily an. "Die subjektive Wahrnehmung der Sicherheitssituation ist schlechter als die objektive Lage. Das ist immer so", fasste der Minister das Empfinden der Bürger über die Entwicklung der Kriminalität und die statistischen Wahrheiten zusammen. Denn insgesamt ist die Zahl der registrierten Straftaten gesunken, auch, wenngleich nur leicht, bei der von den Bürgern besonders gefürchteten Gewaltkriminalität.

149.301 Fälle gefährlicher und schwerer Körperverletzung registrierte die Polizei im vergangenen Jahr, 1,3 Prozent weniger als 2008. Auch die Raubdelikte gingen leicht zurück, auf 49317. Dagegen gab es mehr Mord und Totschlag: 2277 Fälle, elf mehr als im Jahr 2008. Die Aufklärungsquote dieser Schwerstverbrechen ist indes weiter hoch: Die Polizei klärte 97 Prozent aller Fälle auf. Bei sexuellem Missbrauch von Kindern registrierten die Sicherheitsbehörden mit 11.319 Fällen einen Rückgang von gut sechs Prozent und damit die niedrigste Zahl seit 1993. Doch das wahre Ausmaß von Kindesmissbrauch ist mit dieser Zahl nicht beschrieben. Weil viele Opfer sich nicht offenbaren können oder wollen, gehen alle Sicherheitsexperten von einer besonders hohen Dunkelziffer bei dieser Straftat aus.

Laut Statistik gab es 2009 mehr als 3800 Straftaten im Zusammenhang mit dem Besitz oder der Verschaffung von Kinderpornografie. Das bedeutet einen Rückgang um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. De Maizière kündigte in diesem Zusammenhang ein schärferes Vorgehen gegen Konsumenten von Kinderpornografie in Deutschland an. Einzelheiten nannte er aber nicht.

Rückgang der Jugendkriminalität

Besonders erfreut zeigte sich der Innenminister über den Rückgang der Jugendkriminalität. 2009 registrierten die Polizeibehörden fast neun Prozent weniger Tatverdächtige im Alter zwischen 14 und 18 Jahren bei Gewalttaten und Sachbeschädigungen. Der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) , der gemeinsam mit de Maizière die Statistik vorstellte, wies allerdings darauf hin, dass die Gewaltbereitschaft einzelner Jugendlicher steige. "Die Jugendkriminalität geht zurück, qualitativ gibt es aber mehr Brutalität", sagte der Senator auch mit Blick auf einige aufsehenerregende Straftaten Jugendlicher

Auch zeigt die Statistik 2009 negative Entwicklungen bei der sogenannten Alltagskriminalität auf, vor der sich Bürger besonders fürchten. So stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche stark an. 48.401 solcher Einbrüche wurden den Behörden bekannt, 14,6 Prozent mehr als 2008. In Läden, Büros und Lagerräumen wurde zwar weniger gestohlen, dafür stieg die Zahl der Autodiebstähle wieder an, 40.375 Fälle wurden den Behörden bekannt.

In Nord-, aber auch in Ostdeutschland stieg die Zahl besonders an, die beiden Minister erklärten das auch mit dem Wegfall der Grenzkontrollen im EU-Raum. De Maizière wandte sich aber direkt an die Autoindustrie und forderte sie auf, neue und bessere Vorrichtungen gegen Diebstahl einzubauen.

Die einst guten Wegfahrsperren hätten die Diebstahlszahlen zwischenzeitlich sinken lassen, nun seien aber schon im Internet Anweisungen erhältlich, wie man diese Sperren außer Kraft setzen könne. "Es gibt auch eine Bringschuld der Automobilindustrie", sagte er.

Und der Bundesinnenminister hatte noch ein paar gute Ratschläge bereit. An die Medien appellierte er, bei Berichten über Selbsttötungen vorsichtig zu sein. Es sei erwiesen, dass es nach Berichterstattungen über Menschen, die sich vor Züge geworfen haben, Nachahmungstäter gebe. Und die älteren Bürger beruhigte er auch. Senioren müssten sich nicht befürchten, schneller Opfer von Straftätern zu werden als jüngere Menschen.

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SZ vom 19.05.2010
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