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Gewerkschaft der Polizei:"Die Rechten sind dabei, die Bewegung komplett zu kapern"

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Jörg Radek, der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, sieht bei der Corona-Protestbewegung Radikalisierungstendenzen wie einst bei Pegida. Seit dem Wochenende könne niemand mehr sagen, "er sei nur ein Mitläufer".

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht eine Radikalisierung der Protestbewegung gegen staatliche Corona-Auflagen. "Seit den ersten Hygiene-Demonstrationen verfestigt sich der Einfluss rechtsextremer Gruppen auf die Corona-Protestbewegung", sagte der GdP-Vizevorsitzende Jörg Radek den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Rechten sind dabei, die Bewegung komplett zu kapern."

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte vergangene Woche noch im ARD-Magazin Kontraste erklärt, Rechtsextremisten sei es nicht gelungen, die "Hoheit über das Demonstrationsgeschehen zu bekommen".

Radek erklärte jetzt, die Gefahr sei im Moment groß, dass sich die Corona-Protestbewegung genauso entwickele wie die islamfeindliche Pegida-Bewegung. Auch bei Pegida habe am Anfang die Wut über politische Entscheidungen gestanden - gepaart mit einer hohen Anfälligkeit gegenüber rechter Einflussnahme.

Seit dem vergangenen Wochenende habe die Corona-Protestbewegung ihre Unschuld endgültig verloren. "Jetzt kann niemand mehr sagen, er sei nur ein Mitläufer. Jeder, der jetzt noch dabei bleibt, muss sich die Frage stellen, ob er sich mit den Rechtsextremisten gemein machen will und seine persönlichen Sorgen in der Corona-Krise mit den demokratiefeindlichen Zielen der Extremisten verbinden will", so Radek.

Auch Zentralrat der Juden äußert Kritik an Protestbewegung

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte in der Bild-Zeitung: "Seit Monaten werden in der Corona-Debatte Verschwörungsmythen mit antisemitischer Grundtendenz bewusst geschürt." Dafür machte Schuster unter anderem "sehr rechte und rechtsextreme Gruppen" verantwortlich, die sich unter die Demonstranten gemischt hätten. Sicherlich seien "nicht alle, die am Samstag in Berlin demonstriert haben, Rassisten oder Antisemiten", sagte Schuster. "Aber sie machen sich mit diesen gemein."

Am Samstag hatten nach Angaben der Polizei etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich lautstark vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. Dabei wurden vor dem Sitz des Bundestags auch schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt. Die Polizei drängte die Menschen auch mit Pfefferspray zurück. Zuvor hatten nach Polizeischätzungen annähernd 40 000 Menschen auf der Straße des 17. Juni weitgehend friedlich gegen die Corona-Politik demonstriert.

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