Süddeutsche Zeitung

Politvideos:Partei-TV im Netz

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Youtube und Politiker - das war bisher keine allzu gelungene Symbiose. Nicht allein die CDU bedient sich nur bedingt der Möglichkeiten zeitgemäßer Kommunikation. Dabei wären gelungene Clips keine Zauberei - mit einem parteieigenen Youtuber.

Von Quentin Lichtblau

Wer herausfinden will, wie sich die CDU selbst dieser Tage auf Youtube präsentiert, sieht erst einmal blau: Die Suchergebnisse unter dem Begriff "CDU" listen zuallererst das Video des Youtubers Rezo mit seinen blauen Haaren auf, darunter Reaktionen, Einordnungen und Weiterdrehs anderer Youtuber auf eben dieses Video. Wer sehr geduldig scrollt, landet beim Kanal der CDU, und schon bei der Namensgebung wird deutlich, dass sich die Partei höchstens bedingt den Möglichkeiten zeitgemäßer Kommunikation auf der Plattform widmet: Er heißt CDUTV. TV wie Fernsehen. Der Youtubekanal als Parteisender mit Interview-Schnipseln, Wahlwerbespots, als Mediathek für Parteitags-Mitschnitte. SPD, Grüne und FDP führen auf der Plattform ein ebenso mittelmotiviertes Schattendasein: Zum Großteil nutzen sie Youtube als Archiv und Inszenierung ihrer Aktivitäten außerhalb der Plattform.

Youtuber aber tun andere Dinge, sie youtuben, auch wenn niemand dieses Verb benutzt. Eine radikal personalisierte Form der Massenkommunikation nach völlig anderen Kriterien, als im gemeinhin als "echtes" Mediengeschehen wahrgenommenen Fernsehen: subjektiv, nicht immer präzise, auf den ersten Blick auch anmaßend. Aber auch zugewandt, privat, kumpelig. Und auch wenn die Youtuber dabei manchmal überinszeniert wirken - für solche Eigenschaften sind Politiker gemeinhin nicht bekannt. Der Umkehrschluss, dass Youtuber in ihrer Nonchalance nicht imstande wären, politisch zu argumentieren, hat sich mit dem Video von Rezo als falsch erwiesen, auch die gängige These, dass sich langatmige Beiträge im schnelllebigen Netz eher versenden.

Die Parteien haben hier bisher eher zufällige Viral-Hits gelandet, mit Reden von Christian Lindner, Cem Özdemir oder eben auch: Philipp Amthor, der 2017 einen Antrag der AfD rhetorisch sezierte. Die gleiche Verve ließe sich auch in noch Youtube-freundlichere Formen verpacken, oft fehlt offenbar noch das Bewusstsein, dass hier künftig die größten Reichweiten für die eigene Botschaft zu finden sein werden.

Versuche, sich tatsächlich selbst der Sprache und Formen der Youtuber zu bedienen, muss man auf den Kanälen der Parteien daher noch mit der Lupe suchen. Aktuell stellen sich bei SPD und FDP die Europa-Kandidaten in kurzen Videos vor, 30 Sekunden, drei Fragen, ein Versuch, sich der vermeintlich geringen Aufmerksamkeitsspanne junger Netz-Zuschauer anzunähern. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken versuchte sich an einem "Reaction-Video", also einer direkten Antwort auf die Vorwürfe von Rezo, der in seinem Video auch nicht mit Kritik an der SPD sparte. Vor einem sorgsam drapierten Bücherregal mit Europaflagge, SPD-Tassen und Staatstheorie-Bänden geht er darin auf die einzelnen Argumente ein. Und auch wenn das nur halb so unterhaltsam und pointiert wie bei Rezo abläuft, ist der Versuch, den Youtubern auf ihrem eigenen Terrain und in ihrer Sprache zu begegnen, offenbar doch der richtige.

Was daraus folgt? Vielleicht braucht es ein völlig neues Berufsbild: kumpelig, subjektiv, zugewandt - den parteieigenen Youtuber.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2019
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