Süddeutsche Zeitung

Parteien:Zum Wahlkampf missbraucht

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Dürfen Abgeordnete ihre Bundestags-Mitarbeiter auf Werbetour schicken? Das Bundesverfassungsgericht hat da erhebliche Zweifel.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt es derzeit keine ausreichenden Vorkehrungen gegen einen missbräuchlichen Einsatz von Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten im Wahlkampf. Zwar hat das Gericht eine Wahlprüfungsbeschwerde des Parteienkritikers Hans Herbert von Arnim abgewiesen. In der ausführlichen Begründung des Beschlusses äußert der Zweite Senat unter Vorsitz von Andreas Voßkuhle aber deutliche Kritik am aktuellen System. Allein für die Mitarbeiter der Abgeordneten würden gut 212 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt - mehr als aus der staatlichen Parteienfinanzierung, die bei 143 Millionen Euro liege. Weil eine derart große Summe die Chancengleichheit zwischen den Parteien verzerren kann, ist es aus Sicht des Gerichts notwendig, dass die gesetzlichen Vorgaben strikt eingehalten werden - dass also das Geld in die parlamentarische Arbeit des Abgeordneten fließt und nicht für Parteibelange und Wahlkampf zweckentfremdet wird. "Dieser gebotenen Sicherstellung eines hinreichenden Mandatsbezugs bei der Tätigkeit der Abgeordneten genügt der gegenwärtige Regelungsbestand nicht", heißt es in der Begründung. Abgeordnete müssten nicht öffentlich Rechenschaft über den Einsatz der Mittel ablegen, auch eine externe Kontrolle finde nicht statt. "Damit wird der besonderen Missbrauchsanfälligkeit hinsichtlich des Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf nicht ausreichend Rechnung getragen," so die Karlsruher Richter. Der Bundestag müsse dafür Sorge tragen, dass einem Missbrauch verstärkt entgegengewirkt werde.

Gegen die Fünf-Prozent-Hürde haben die Richter keine Einwände

Der Beschluss gilt als nachdrückliche Mahnung an den Bundestag: Das höchste deutsche Gericht könnte bei nächster Gelegenheit die Verwendung solchen Geldes einer genaueren Prüfung unterziehen. Arnim hatte sich unter anderem auf einen Bericht von "Report Mainz" gestützt, wonach Fraktionsmitarbeiter einzelner Abgeordneter im Wahlkampf 2013 eingesetzt worden seien. Dem Gericht fehlte indes der Nachweis, dass ein Missbrauch nicht nur punktuell stattgefunden habe. Eine Rüge zur Fünf-Prozent-Hürde sowie weitere Einwände wies das Gericht ebenfalls ab.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2017
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