Süddeutsche Zeitung

Parlamentseröffnung:Pomp, Hermelin und Queen

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Auch wenn Queen Elizabeth nur vorlesen darf, was der Regierungschef Cameron geschrieben hat - das mit strikten und seltsamen Ritualen gespickte Zeremoniell zeigt ein Selbstverständnis alter Größe.

Von Andrea Bachstein

Die Imperial State Crown kommt mit 2901 Edelsteinen und 273 Perlen auf ein Gewicht von 910 Gramm. Ob Elizabeth II. die Prachtkrone zu Hause Probe getragen hat, wie sie das angeblich vor Thronreden schon tat, um sich an das Gewicht zu gewöhnen, wird wohl die Vorhänge der Palastdiskretion nicht durchdringen. Wenn die Queen, wie an diesem Mittwoch, bei der Parlamentseröffnung auf dem Thron im britischen Oberhaus die vom Premier geschriebene Erklärung der Regierung Ihrer Majestät verliest, erinnert sich Britannien auch an einstige Macht und Größe, den Glanz des Empire. Bei all dem Pomp aber muss die Queen einen möglichst sachlichen Ton einhalten - ob dem Staatsoberhaupt der Inhalt passt oder nicht, soll man nicht hören.

Die strengen Zeremonien der Parlamentseröffnung, der einzigen regulären Gelegenheit, bei der Monarch, Oberhaus und Unterhaus zusammentreffen, beginnen längst vor der meist zehnminütigen Erklärung. Vom Buckingham Palace fährt die Queen begleitet von den berittenen Wachen der Household Cavalry zum Parlament, vermutlich wieder mit der Staatskutsche, die zum 60. Thronjubiläum gebaut wurde. Die "Yeomen" der zeremoniellen Leibwache haben dann bereits die rituelle Durchsuchung der Parlamentskeller erledigt; sie wird für nötig gehalten, seit Guy Fawkes 1605 Parlament und König in die Luft jagen wollte.

Die Staatskrone reist in einer eigenen Kutsche vom Londoner Tower zum Parlament. Dort setzt die Queen sie im "Robing Room" auf, legt dazu Staatsrobe an - einen langen Umhang aus rotem Samt mit Hermelinfutter und Goldbesatz, so gestylt führt sie die königliche Prozession ins adelige Oberhaus an. Die Abgeordneten des Unterhauses können dort nicht einfach hereinspazieren, was aber auch umgekehrt gilt. Vor der Parlamentseröffnung entsendet das House of Lords zunächst den "Black Rod": Einen hohen Beamter mit einem Ebenholzstab mit Goldlöwen darauf, der für Sicherheit im Oberhaus sorgt. Er klopft an die Türen zum Unterhaus - , und sie werden ihm erst mal vor der Nase wieder zugeschlagen. Das ist nichts Persönliches, sondern symbolisiert die Unabhängigkeit der Abgeordneten von der Monarchie. Dreimal muss der Black Rod klopfen, ehe die gewählten Abgeordneten ihm auftun und zu den Lords folgen, um die Queen zu hören.

Die wiederum lässt währenddessen in ihrem Palast eine Geisel halten. Es geht ihr nicht um Lösegeld, sie hält ein Ritual ein: Bis der Monarch wohlbehalten aus dem Parlament zurück ist, bleibt ein Parlamentsmitglied als Faustpfand in ihrer Hand.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2015
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