Süddeutsche Zeitung

Pakistan:Minister für religiöse Minderheiten erschossen

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Er machte sich für eine Liberalisierung des Blasphemie-Gesetzes stark - und erhielt dafür Todesdrohungen: Shabaz Bhatti, Minister für religiöse Minderheiten, ist bei einem Anschlag in Islamabad ums Leben gekommen.

Radikale Islamisten haben in Pakistan den einzigen Christen in der Regierung des Landes ermordet. Der Minister für religiöse Minderheiten, Shahbaz Bhatti, der sich vehement gegen das strenge Gesetz zur Gotteslästerung in Pakistan ausgesprochen hatte, wurde am Mittwoch in Islamabad erschossen, wie die Polizei mitteilte. Der Vatikan und die Europäische Union verurteilten den Anschlag scharf.

Der Katholik Bhatti hatte das Blasphemie-Gesetz heftig kritisiert, das bei Beleidigung des Islams die Todesstrafe vorsieht. Laut Polizei lauerten dem Minister drei oder vier Männer in einem weißen Suzuki vor dem Haus seiner Mutter in einem wohlhabenden Wohnviertel Islamabads auf. Die Angreifer hätten mindestens 25 Schüsse auf den Dienstwagen des Ministers abgegeben, als dieser von dem Grundstück gefahren sei. Bhatti sei bei der Einlieferung ins Krankenhaus bereits tot gewesen, sein Fahrer verletzt worden. Bhatti war laut Polizei ohne seine Leibwächter unterwegs.

Pakistans Regierungschef Yousuf Raza Gilani sagte, solche Anschläge könnten "die Entschlossenheit der Regierung zum Kampf gegen Terrorismus und Extremismus nicht mindern", sagte er.

Der Vatikan zeigte sich erschüttert über den "unglaublichen Gewaltakt". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte in Berlin, er habe den Anschlag mit "großer Bestürzung" aufgenommen. Bhatti habe sich mit "außergewöhnlichem Engagement" und "großem persönlichen Mut" für die Rechte von Minderheiten eingesetzt. Der US-Botschafter in Pakistan, Cameron Munter, verurteilte das Attentat "auf schärfste Weise". Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte die pakistanische Regierung auf, die Täter vor Gericht zu bringen. Ashton zeigte sich "tief besorgt über das Klima der Intoleranz und der Gewalt im Zusammenhang mit der Diskussion über das umstrittene Blasphemie-Gesetz".

"Ziel Nummer eins"

Anfang Januar war bereits der Gouverneur der wichtigsten pakistanischen Provinz Punjab, Salman Taseer, ermordet worden. Der Politiker galt als einer der wichtigsten Vertreter des moderaten Flügels in der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP) und hatte sich wie Bhatti gegen das Blasphemie-Gesetz stark gemacht. Zahlreiche islamistische Politiker und Geistliche äußerten anschließend ihre Sympathie und Unterstützung für den Attentäter, einen der Leibwächter des Gouverneurs. Nach dem Anschlag auf den Gouverneur hatte Bhatti gesagt, er habe ebenfalls Todesdrohungen erhalten und sei nun das "Ziel Nummer eins". Zugleich hatte er angekündigt, unverändert weiterarbeiten zu wollen. "Wir müssen gegen diese Kräfte des Terrorismus aufstehen", sagte Bhatti damals.

Das aus den 1980er Jahren stammende Blasphemie-Gesetz hatte auch international für Aufregung gesorgt, als eine Christin wegen angeblicher Beleidigung des Propheten Mohammed zum Tod durch den Strang verurteilt worden war. Bhatti hatte Staatschef Asif Ali Zardari um Gnade für die fünffache Mutter Asia Bibi gebeten, konservative Politiker und Kleriker verhinderten allerdings im November mit Protesten einen Straferlass. Derzeit läuft ein Berufungsverfahren.

In Pakistan sind Schätzungen zufolge drei Prozent der rund 170 Millionen Einwohner nicht-muslimischen Glaubens. Sie gehören vor allem den sozial schwachen Schichten an und sind im Alltag immer wieder Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt.

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dpa/AFP/jobr
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