Süddeutsche Zeitung

Pakistan in der Krise:Präsident ohne Skrupel

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Die Atommacht Pakistan wird seit 1999 von General Musharraf regiert. Dieser klammert sich an die Macht und bekämpft seine Kritiker. Die USA müssen Musharraf zum Rückzug drängen - auch im eigenen Interesse.

Peter Münch

Jeder Laternenpfahl in Islamabad hat am Wochenende das Bild des Präsidenten gezeigt. In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad ließ Pervez Musharraf Zehntausende zu einem Jubelmarsch antreten, um vor dieser Massenkulisse noch einmal die blühende Zukunft zu verheißen, die er dem Land seit seinem Militärputsch im Jahr 1999 schuldig geblieben ist.

Die Realität war dagegen mehr als tausend Kilometer weiter südlich in Karatschi zu sehen: brennende Autos, Schießereien und Dutzende Tote beim politischen Protest gegen die Regierung. Während der Präsident sich selber feiert, droht Pakistan das Chaos.

Stimmung dreht sich gegen Musharraf

Es ist atemberaubend zu beobachten, wie sich im Land die Stimmung gegen den lange als allmächtig angesehenen Armee- und Staatschef gewendet hat.

Und zugleich ist beängstigend zu sehen, wie leicht diese Atommacht mit 160 Millionen Einwohnern, die mitten in der gefährlichsten globalen Konfliktzone liegt, aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Es war ein eher kleiner Auslöser - die Suspendierung des Obersten Richters -, der große Wirkung entfaltet hat.

Möglich ist dies nur, weil das System Musharraf enorme Abnutzungserscheinungen zeigt. In der politischen Arena - national wie international - gefiel sich der Präsidentengeneral immer als geschickter Jongleur: Er hielt stets mehrere Bälle in der Luft und wechselte die Verbündeten nach Gusto und Opportunität. So verkaufte er nach außen sein Regime als treuen Verbündeten im Kampf gegen Terror und Taliban. Im Innern jedoch paktierte er mit den islamischen Fundamentalisten, die ganz offen an der Seite der Taliban stehen.

Doch das Spiel mit den vielen Bällen ist in Unordnung geraten, seit sich fast alle Oppositionsgruppen von den Islamisten bis zu den traditionell verfeindeten demokratischen Parteien dem Protest gegen den Richter-Rauswurf angeschlossen haben.

Zum ersten Mal sieht sich Musharraf einer breiten Oppositionsfront gegenüber. Das Blutbad von Karatschi zeigt, dass er den Kampf angenommen hat und keinesfalls zurückweichen will. Statt bei der angekündigten Oppositionsdemonstration auf Ruhe zu setzen, riefen

Musharrafs Leute zum Gegenprotest - der Zusammenprall war nicht zu vermeiden und womöglich sogar gewünscht.

Denn ein Ausweg aus der gegenwärtigen Krise nach typischer Musharraf-Art sieht so aus, dass er den Konflikt eskalieren lässt, um sich dann als der Einzige zu präsentieren, der in der provozierten Notlage als Retter in Frage kommt. Eine Verhängung des Kriegsrechts hat er zwar zunächst noch ausgeschlossen, aber auch das könnte in kurzer Zeit schon ganz anders aussehen.

Es ist also höchste Zeit, dass die USA, von deren Milliardenhilfen Musharraf abhängt, den General zum Rückzug drängen, bevor er das Land in Tumulte mit unabsehbaren Folgen stürzt. Dies ist durchaus im eigenen Interesse Washingtons - schließlich wird Pakistan als stabiler Verbündeter gebraucht.

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Quelle:
SZ vom 14.5.2007
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