Süddeutsche Zeitung

Ornithologie:Skandal im Anflug

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Viele Vogelnamen sind rassistisch. Jetzt wird umgetauft.

Von Titus Arnu

Die Hottentottenente ist optisch eher unscheinbar. Man erkennt sie am dunklen Kopf, dem dunklen Nacken und dem blauen Schnabel. Sie quakt nicht wie andere Enten, sondern gibt Klicklaute von sich. Daher stammt wohl auch ihr Name: Spatula hottentotta lebt in Süd- und Ostafrika, wo mehrere Volksgruppen Khoisan-Sprachen mit Klick- und Schnalzlauten sprechen. Während es als diskriminierend gilt, afrikanische Ethnien als Hottentotten zu bezeichnen, muss die Ente bis heute mit ihrem beknackten Namen leben.

Mohrenkopfpapagei, Zigeunervogel und Kaffernsegler haben ein ähnliches Problem: Ihre Namen passen nicht in unsere Zeit, weil sie als rassistisch gelten. Sie stammen aus einer Ära, als Forscher wie Alexander von Humboldt, Charles Darwin und James Cook in bis dahin unbekannte Weltregionen reisten und neu entdeckten Arten Fantasienamen verpassten - aus ihrer weißen, kolonialistisch gefärbten Sicht. Fast alles, was aus Afrika stammte und irgendwie dunkel gefärbt war, bekam die Vorsilbe "Mohr" aufgedrückt - von der Mohrenlerche über den Mohrenibis bis zum Mohrenschwarzkehlchen. Mehr als 50 Arten tragen die Hottentotten im Namen.

In den USA gibt es nun eine Initiative, die 150 Vögel umbenennen will, weil ihre Bezeichnungen nicht politisch korrekt sind. Die American Ornithological Society akzeptierte bereits den Vorschlag, die Vogelart McCown's longspur (deutsch: Schwarzbrust-Spornammer) in Thick-billed longspur umzutaufen. John McCown, Hobby-Vogelsammler aus Tennessee, hatte in seinem Hauptberuf als General der Südstaaten-Armee für die Erhaltung der Sklaverei gekämpft und amerikanische Ureinwohner massakriert. Auch in Schweden wurden bereits diskriminierende Vogelnamen abgeschafft, etwa der Negerfink und die Lappenmeise. Der schwedische Ornithologie-Verein hatte dafür über mehr als 10 000 Vogelnamen gebrütet. Der südamerikanische Zigeunervogel trägt nun den Namen Hoatzin, der Kaffernsegler gleitet als Weißbürzelsegler durch die Luft.

In Deutschland wurde immerhin die Mohrenlerche in Schwarzsteppenlerche umbenannt und der Ziegenmelker in Nachtschwalbe, Letzteres aber eher, weil der Name auf einem Aberglauben beruht. "Insgesamt ist Rassismus in der Ornithologie bei uns noch kein großes Thema", sagt Markus Erlwein, Sprecher des Landesbundes für Vogelschutz Bayern. "Der Naturkunde gelingt es nicht, mit dem gesellschaftlichen Fortschritt mitzuhalten", kritisiert die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz. Diese Initiative der Naturfreunde Deutschlands kümmert sich um Verstrickungen von Ideologien und Naturthemen.

Stehen nach den Skandalen in der katholischen Kirche bald auch Papstfink, Purpurkardinal, Türkisbischof und Dompfaff auf der Abschussliste? Sind alle Neuntöter Serienkiller? Darf man noch Türkentaube sagen und erwähnen, dass der aus Asien stammende Vogel einen Migrationshintergrund hat? Auch der Stummelschwanz-Zwergtyrann, der Raubwürger und der Basstölpel wären wohl nicht undankbar für harmlosere Bezeichnungen. Manchen Vögeln würde man imagemäßig Auftrieb geben mit einem frischen Namen. Die Hottentottenente kann ein Lied davon klicken.

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