Süddeutsche Zeitung

Volksbegehren:Die Österreicher begehren auf

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Von Peter Münch, Wien

Als Österreichs rechtskonservative Regierung im vorigen Dezember die Arbeit aufnahm, da hat sie, kein Wunder, den Bürgern das Schwarz-Blaue vom Himmel herunter versprochen. Zu den Verheißungen zählt an vorderer Stelle ein Ausbau der direkten Demokratie. "Wir werden die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung am politischen Prozesses erhöhen", heißt es gleich in der Präambel des 180-seitigen Regierungsprogramms. Plebiszite sind schließlich schon lange eine Lieblingsforderung der Populisten von der FPÖ. Nun nehmen die Bürger die Regierung beim Wort: Gleich drei Volksbegehren liegen in dieser Woche zur Unterschrift aus - und zumindest zwei davon richten sich frontal gegen die Regierungspolitik.

Unterschreiben können die Bürger vom 1. bis 8. Oktober für den Nichtraucherschutz, für Frauenrechte sowie für die Abschaffung der ORF-Gebühren. Letztere Initiative geht von einer christlichen Kleinpartei namens CPÖ aus und hat trotz der auch von der FPÖ propagierten Idee bislang wenig Widerhall gefunden. Die beiden anderen Volksbegehren aber werden von solch breiten Bündnissen getragen, dass schon vorab feststeht, dass sie massenhaften Zulauf haben werden. Bindend ist das Ergebnis zwar nicht. Aber die Debatten im Umfeld sichern den Themen große Aufmerksamkeit, und ab 100 000 Unterschriften muss sich das Parlament mit den Forderungen befassen.

Das "Don't smoke"-Volksbegehren richtet sich gegen die FPÖ

Am brisantesten für die Regierung ist das "Don't smoke"-Volksbegehren, initiiert von Krebshilfe und Ärztekammer. Ziel ist es, in Gaststätten doch noch ein generelles Rauchverbot durchzusetzen. Das richtet sich gegen die FPÖ, auf deren Betreiben das eigentlich schon beschlossene Kippenverbot wieder gekippt worden ist. Bereits im Frühjahr, beim Einleitungsverfahren für das Volksbegehren, sind fast 600 000 Unterschriften gesammelt worden, die jetzt schon mitzählen. Angestrebt wird ein Ergebnis von mehr als einer Million.

Ein wenig bescheidener ist die Zielmarke der Feministinnen, die nach 1997 nun Österreichs zweites Frauen-Volksbegehren eingebracht haben. Sie hoffen auf 650 000 Unterschriften, um das damalige Ergebnis zu erreichen. Gefordert wird, dass die Hälfte aller Posten in Politik und Wirtschaft von Frauen besetzt wird, dass es gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit gibt, eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich sowie kostenlose Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche. Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß von der ÖVP hat bereits wissen lassen, dass mit ihrer Unterschrift nicht zu rechnen ist.

Wegen ihres Bekenntnisses zur Stärkung der direkten Demokratie wird die Regierung aus ÖVP und FPÖ die Ergebnisse der Volksbegehren jedoch nicht so einfach unter den Teppich kehren können wie ihre Vorgänger. Beim bisherigen Rekord zum Beispiel hatten 1982 fast 1,4 Millionen Österreicher gegen ein neues Kongresszentrum in Wien gestimmt - gebaut wurde es trotzdem. Nun aber steht im Regierungsprogramm, dass bei mehr als 900 000 Unterschriften die Forderungen binnen eines Jahres umgesetzt werden müssen - oder aber eine bindende Volksabstimmung folgt. Gelten soll das allerdings noch nicht gleich, sondern frühestens von 2022 an.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2018
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