Süddeutsche Zeitung

Österreich:Zeichen gegen Putin

Lesezeit: 2 min

Mitten in Wien steht seit 1945 das im Volksmund als "Russendenkmal" bezeichnete Mahnmal für die Sowjetarmee. Wie damit umgegangen werden sollte.

Von Cathrin Kahlweit

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas steht neuerdings auf russischen Fahndungslisten, weil, so heißt es offiziell aus Moskau, unter ihrer Ägide Denkmäler für sowjetische Soldaten abgebaut wurden; bis zu 400 waren es wohl insgesamt. Gewohnt bombastisch lautet der Vorwurf "Verbrechen am Gedenken an die Befreier der Welt vom Nazismus und Faschismus". Moskau wird sich daran gewöhnen müssen. Allerorten, zuletzt in Sofia, wurden und werden immer mehr Sowjet-Denkmäler abgebaut, seit Russland die Ukraine überfallen hat.

Sie fragen sich jetzt wahrscheinlich, was das mit Österreich zu tun hat. Nun, in Wien steht am Schwarzenbergplatz ein besonders mächtiges Mahnmal für die Rote Armee, die Wien am 13. April 1945 einnahm. Das Monument, das den Platz dominiert, war in Erwartung der so sieg- wie verlustreichen Schlacht schon vorher in Auftrag gegeben worden. Auf einer 20 Meter hohen Säule steht, umgeben von ausladenden Kolonnaden und stilisierten Kämpfergruppen, ein Sowjetsoldat mit Fahne und vergoldetem Schild.

Immer mal wieder hatte es in den vergangenen Jahrzehnten Debatten gegeben, was mit dem Mahnmal zu geschehen sei, dessen Pflege der österreichische Staat per Staatsvertrag 1955 zugesichert hatte. Aber so recht wagte sich niemand an das Monstrum heran, zumal die Sympathien für das autokratische Russland in Österreichs Wirtschaft und Politik durchaus ausgeprägt waren - und teils noch sind.

Fun fact am Rande: Während anderswo in Europa energiepolitisch mit Macht diversifiziert wird, betrug der Anteil von russischem Gas an den gesamten österreichischen Gasimporten im Dezember 2023, also fast zwei Jahre nach dem Überfall auf die Ukraine, sagenhafte 98 Prozent.

Der russische Präsident war zuletzt im Juli 2014 in Wien - nach der Annexion der Krim und nach dem Beginn der Kriegshandlungen im Donbass. Er war trotz allem überfreundlich empfangen worden und hatte damals mit dem Chef der österreichischen Wirtschaftskammer darüber gescherzt, was eine "gute Diktatur" sei. Dann legte er am "Russendenkmal", wie die Wiener es nennen, einen Kranz nieder.

Ein Zeichen gegen Putin, Krieg und Diktatur setzte schließlich nicht die Regierung, sondern die Familie Schwarzenberg, der das Palais gleich hinter dem Mahnmal gehört. Karel Schwarzenberg, Weggefährte von Václav Havel und früherer tschechischer Außenminister, ist vor Kurzem gestorben und hinterlässt eine riesige Lücke in Europas Kampf um die bedrohte Demokratie.

Warum, das zeigte auch diese Aktion: Nach dem Überfall auf die Ukraine ließ er die Mauer zwischen dem Palais und dem Trumm aus Bronze, Marmor und Stein in den ukrainischen Nationalfarben anmalen. Wäre es nicht schön, wenn das in ganz Wien zum zweiten Jahrestag des russischen Eroberungs- und Zerstörungskriegs wiederholt würde?

Diese Kolumne erscheint auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Gleich kostenlos anmelden .

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6362322
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.