Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung:Neuanfang für Österreich

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ÖVP und Grüne verkünden einen Durchbruch in den Koalitionsverhandlungen, die Angelobung dürfte in der zweiten Januarwoche stattfinden. Gut sieben Monate nach dem Ibiza-Skandal hätte Österreich dann wieder eine gewählte Regierung.

Von Peter Münch, Wien

Die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Grünen haben bei ihren Koalitionsverhandlungen einen Durchbruch geschafft. Die beiden Parteichefs Sebastian Kurz und Werner Kogler kündigten am Sonntagmorgen einen er-folgreichen Abschluss ihrer Gespräche bis Mitte der Woche an.

Die Grünen hatten bereits kurz zuvor die Einladung zu einem Bundeskongress verschickt, der den Statuten der Partei zufolge über ein Koalitionsabkommen und über die Ministerliste abstimmen muss. Bei der ÖVP braucht Kurz keine offizielle Zustimmung der Parteigremien. Ein türkis-grünes Bündnis auf Bundesebene wäre ein Novum in der österreichischen Geschichte. Für die Grünen wäre es die erste Beteiligung an einer Bundesregierung.

Die Grünen verschickten die Einladung zum Bundeskongress noch am Samstag um 23.50 Uhr. Vorgeschrieben ist eine Vorlaufzeit von einer Woche, die 276 Delegierten sollen nun am Samstag, 4. Januar, in Salzburg zusammenkommen.

Ein positives Votum des Gremiums gilt als sicher. Bedeutsam wird jedoch die Höhe der Zustimmung sein, weil dies Aufschluss darüber gibt, wie geschlossen und wie verlässlich die früher bisweilen sehr heterogenen Grünen in die Regierung eintreten. Im Parlament mit insgesamt 183 Sitzen verfügen die beiden Parteien seit der Wahl vom 29. September mit 71 Sitzen für die ÖVP und 26 Mandaten für die Grünen über eine recht komfortable Mehrheit.

Der Einladung zum Grünen-Bundeskongress wurden noch keine weiteren Unterlagen beigefügt, weil zumindest Details des Koalitionsabkommens noch zu klären sind. Deshalb wird in den nächsten Tagen weiter verhandelt. Mit einer offiziellen Verkündigung der Einigung wird am Donnerstag gerechnet.

Die neue Bundesregierung könnte am 7. Januar vereidigt werden

Vorbehaltlich einer Zustimmung des Grünen-Kongresses könnte die neue Bundesregierung dann am 7. Januar vereidigt werden. Gut sieben Monate nach Einsetzung einer Expertenregierung unter der Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hätte Österreich dann wieder eine gewählte Regierung.

Die vorherige Bundesregierung von ÖVP und FPÖ war nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos durch Süddeutsche Zeitung und Spiegel gescheitert.

Eine Regierung mit den Grünen bedeutet auch für den alten und neuen Bundeskanzler Kurz einen Neuanfang. Beide Parteiführungen hatten von Beginn der Verhandlungen an darauf hingewiesen, dass ihre Parteien aus verschiedenen Welten stammen. Kreative Lösungen werden vor allem bei den Kernthemen Klimapolitik und Migration nötig sein.

Kurz und Kogler teilten nun mit, dass in den vergangenen Tagen wesentliche Kapitel hätten erledigt werden können. Einzelheiten wurden jedoch nicht mitgeteilt. Keine Informationen gab es zudem über die Aufteilung der Ministerien unter den beiden Parteien.

Gerüchten zufolge soll Österreichs Grünen-Chef Kogler nicht nur das Vizekanzleramt vom früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erben, sondern auch dessen Zuständigkeit für den Sport. Als Herzstück der Grünen-Regierungsbeteiligung gilt ein Großressort für Umwelt und Verkehr.

Zudem könnten die Grünen als Juniorpartner noch die Ministerien für Justiz sowie Gesundheit und Soziales übernehmen.

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SZ vom 30.12.2019
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