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Österreich:Neustart in Wien

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Die von Ungarn verdrängte Central European University (CEU) hat ihren Lehrbetrieb im Nachbarland aufgenommen. Ungarns Regierung unter Viktor Orbán betrachtet den Gründer der Universität, US-Milliardär George Soros, als eine Art Staatsfeind.

Von Peter Münch, Wien

Die von der ungarischen Regierung bedrängte Central European University (CEU) hat ihren Lehrbetrieb am neuen Standort in Wien aufgenommen. "Wir sind aus unserem Zuhause vertrieben worden", sagte der Uni-Rektor Michael Ignatieff bei der Eröffnungspressekonferenz. "Das ist ein Skandal, aber einer mit glücklichem Ausgang." In der österreichischen Hauptstadt sei die 1991 von George Soros in Budapest gegründete Universität überall "mit offenen Armen" empfangen worden.

Ungarns Regierung unter Premierminister Viktor Orbán, die den aus Ungarn stammenden US-Milliardär und Philanthropen Soros als eine Art Staatsfeind betrachtet, hat der CEU in Budapest seit Jahren das Leben schwer gemacht. 2017 wurde ein ganz auf sie zugeschnittenes Gesetz erlassen, das ihr die Vergabe von US-Diplomen verbietet. Dies führte nicht nur zu Straßenprotesten, sondern auch zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn sowie zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Fall CEU spielte auch eine wichtige Rolle bei der Suspendierung von Orbáns Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) im Frühjahr.

Allem äußeren Druck zum Trotz zeigt Ungarns Regierung bis heute keine Bereitschaft zum Einlenken. Die CEU hatte deshalb im vorigen Herbst den Umzug nach Wien beschlossen. Ignatieff betonte allerdings, dass die Universität ihren Gründungsstandort Budapest nicht aufgeben werde. "Wir werden dort niemals unsere Fahne einholen", sagt er. Zumindest die Studiengänge mit ungarischem Abschluss sowie Forschungsaktivitäten und das CEU-Archiv sollen in Budapest bleiben.

In Wien hat die CEU nun zunächst ein ehemaliges Bankgebäude im Stadtteil Favoriten angemietet und umgebaut. Das Studienjahr 2019/20 wird als "Übergangsjahr" bezeichnet. Die 600 Studierenden, die in diesem Jahr ihr Masterstudium an der CEU aufgenommen haben, werden je zur Hälfte in Budapest und in Wien studieren. Auch die Lehrkräfte sollen zunächst pendeln. Ab 2020 sollen die Masterstudiengänge ganz in Wien sein. In fünf bis sechs Jahren will die CEU dort dann ein permanentes Domizil beziehen. Verhandelt wird derzeit mit der Stadt über einen Campus auf dem Gelände des historischen Otto-Wagner-Spitals. Ignatieff bezifferte die Umzugskosten für die Jahre bis 2025 auf insgesamt rund 200 Millionen Euro. Die meisten anderen Universitäten hätte das wohl in den Ruin getrieben, meinte er. "Zum Glück haben wir einen potenten Gründer und Förderer."

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019
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