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Österreich:Gabriel kritisiert Wiens Pläne zu Flüchtlingen

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Der deutsche und der österreichische Außenminister stehen für unterschiedliche Ideen in der Migrationspolitik. Dem konservativen Kurz gilt Australien als Vorbild, Sozialdemokrat Gabriel nennt Kurz' Ideen unrealistisch.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Solidarität, sagte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bei seiner Antrittsvisite in Wien am Montag, sei "verantwortliches Handeln für sich und alle anderen". Da kenne er sich als Sozialdemokrat aus. Sein österreichischer Counterpart, Sebastian Kurz (ÖVP), konterte eilig, es gebe auch eine konservative, christliche Solidarität. Der kurze Schlagabtausch in einer ansonsten von Freundschaftsbekundungen geprägten Begegnung warf ein Schlaglicht auf eine Debatte, in der die beiden Minister diametral auseinanderliegen: Kurz wirbt schon lange dafür, Flüchtlinge, die von der nordafrikanischen Küste aufbrechen, abzufangen, "zurückzustellen" und in Auffanglagern in Libyen unterzubringen. Die Australier hätten vorgemacht, wie man seine Grenzen schütze, den Flüchtlingszuzug stoppe und das Sterben auf dem Meer beende, so Kurz, der sich ein ähnliches Modell für afrikanische Flüchtlinge an der afrikanischen Küste wünscht.

Gabriel kritisierte diese Idee auf einer Pressekonferenz mit Kurz scharf, ohne diesen namentlich anzusprechen: Er rate ab, sich eine Welt zu malen, die nicht existiere; Flüchtlingslager in Libyen, aber auch in Tunesien, seien "unrealistisch". In Libyen gebe es keinen Staat und keinen Verhandlungspartner, im Falle Tunesiens drohe bei einem solchen Schritt eine Destabilisierung des Landes. Es sei daher gefährlich, diese Modelle zu propagieren, weil damit auch eine "Enttäuschung bei der heimischen Bevölkerung" einhergehen könnte.

Gabriel forderte stattdessen, der viel beschworenen "Bekämpfung der Fluchtursachen" Taten - und Geld - folgen zu lassen. In der Region rund um den Tschadsee etwa drohe eine humanitäre Katastrophe. 1,5 Milliarden Dollar seien nötig, um zu helfen, aber auf einer Geberkonferenz mit 14 Staaten vor wenigen Tagen sei nur ein Drittel der Summe zusammengekommen.

Zuvor hatte Gabriel auch dem österreichischen Kanzler Christian Kern einen Besuch abgestattet. Die beiden Sozialdemokraten waren sich einig, dass eine Reformierung der EU geboten sei. Angesichts eines US-Präsidenten, der eine Schwächung der Union anstrebe, müsse nun eine "Phase des Zusammenstehens" beginnen, sagte Kern. Gabriel betonte, die nachfolgenden Generationen würden alle Politiker verfluchen, die auf nationalstaatliche Lösungen setzten.

Am Abend traf Gabriel seinen italienischen Kollegen Angelino Alfano in Rom, wo er unter anderem die Fokussierung auf eine strenge Sparpolitik in Europa kritisierte.

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SZ vom 28.02.2017
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