Süddeutsche Zeitung

Österreich:Doppelspiel ohne König

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Beim Parteitag der FPÖ in Graz wird Norbert Hofer mit mehr als 98 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Vor den Delegierten mimt er die Seele der FPÖ, Ex-Innenminister Kickl den Hardliner - doch im Hintergrund lauert ein anderer.

Von Peter Münch, Graz

Als alle Reden verklungen und alle Stimmen gezählt sind, da feiert die FPÖ die eigene Erleichterung mit einem kleinen Bühnenfeuerwerk und einem sehr lauten Lied: "Don't stop me now" von Queen dröhnt aus den Boxen, als Norbert Hofer zurückkommt auf die Bühne. Mit 98,25 Prozent der gültigen 800 Stimmen haben ihn die Delegierten des Grazer Parteitags zum neuen Vorsitzenden gewählt. Das ist klar, das ist deutlich, und es ist fast genauso viel wie beim letzten Mal sein Vorgänger Heinz-Christian Strache erhalten hat, dem sich die Partei mit 98,7 Prozent hingegeben hatte. Auch das ist wichtig, und eine Last fällt ab von Norbert Hofer. Hinein in den Jubel ruft er: "Wir sind wieder da."

Das soll die zentrale Botschaft sein auf diesem "33. Ordentlichen Bundesparteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs", der als Auferstehungsfeier zelebriert wird mit Hofer in der Rolle des lächelnden Lazarus. Damit diese Veranstaltung jedoch tatsächlich ordentlich und ohne Störgeräusche über die Bühne geht, muss sich erstens die Partei bedingungslos hinter Hofer stellen. Und zweitens muss Hofer bedingungslos nach vorn schauen - auf die anstehende Parlamentswahl am 29. September und dann noch weit darüber hinaus. "Wir dürfen uns nicht mit dem zweiten oder dritten Platz zufrieden geben", ruft er den Delegierten zu. "Ich trete an, um diese Partei so stark zu machen, dass wir es schaffen, bei einer bundesweiten Wahl als Erster durchs Ziel zu gehen."

Bis dahin allerdings, das weiß auch Hofer, ist es mindestens noch ein längerer Weg. Fürs Erste wird eine erneute Juniorpartnerschaft für das Regieren mit der ÖVP angestrebt. Die aktuellen Umfragen zeigen die FPÖ bei 20 Prozent - sechs Prozent Minus zur Wahl von 2017. Geschuldet ist das dem Ibiza-Video, das den alten Parteichef Heinz-Christian Strache das Amt und die FPÖ insgesamt die Ministerposten gekostet hat. "Erst einmal geht es ums Aufrichten", sagt Hofer. Und vor allem, auch das weiß er, geht es darum, in dieser heiklen Phase die Partei vor einer Zerreißprobe zu bewahren zwischen den Kräften des Neuanfangs und den unbeirrbaren Fans des alten Patriarchen Strache.

Der neue Parteichef scheint dafür der geeignete Mann zu sein, denn Hofer kann Harmonie. Auf dem Parteitag schafft er das Kunststück, Strache gleichzeitig einzubinden und draußen zu halten. Per Video-Botschaften hatte der gefallene Held der Partei am Donnerstag noch einmal persönlich verkündet, dass er "leider" nicht teilnehmen könne am Parteitag. In Graz belohnt ihn Hofer für diesen Verzicht mit ein wenig Wärme. "Ich bedanke mich bei dir, ich bitte um einen Applaus", sagt er. Von einem möglichen Comeback Straches spricht er nicht. Es klingt nach Verabschiedung. Der König ist tot, es lebe der König - so will sich die FPÖ in neue Zeiten retten. Ein Parteigrande nach dem anderen tritt ans Rednerpult, um Hofer zu huldigen als "Seele und Herz der Partei". Den Höhepunkt erreicht die Lob-Litanei aber erst, als auch Herbert Kickl das Wort ergreift. "Wenn es Norbert Hofer nicht gäbe, dann müssten wir ihn erfinden", ruft er. "Es kann keinen Besseren geben."

Im Laufe von Kickls Rede mag dann allerdings doch noch dem ein oder anderen ein kleiner Zweifel gekommen sein, ob es nicht vielleicht doch einen Besseren gäbe für diese Partei. Denn wo Hofer Applaus bekommt, erntet Kickl Ovationen - für Abschiebe-Drohungen gegen "aggressive afghanische Asylanten" oder für den angekündigten "rechten Haken" gegen politsche Gegner. Der frühere Innenminister wird in Graz schließlich zu einem von sechs Stellvertretern Hofers gewählt.

Wie dieser polternde Herbert Kickl die FPÖ in Wallung bringt, das hat auch der freundliche Herr Hofer wieder erleben können in Graz. Doch auf diesem Parteitag, der in schlanken fünf Stunden die FPÖ neu aufstellt, demonstrieren die beiden den Schulterschluss. Kickl nennt es das "patriotische Doppelspiel", Hofer wirbt für "Inhalte" statt "Personenkult". Ibiza und die Folgen gelten ihm als Warnung: "Niemand kann uns aufhalten, außer wir selbst", sagt er. "Das ist das, was ich ändern will: Niemals wieder werden wir an uns selbst scheitern."

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SZ vom 16.09.2019
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