Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Dienst:Jetzt lachen sie

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Der neue Tarifvertrag von Bund, Ländern und Kommunen bringt den Beschäftigten mehr Geld - aber nicht allen gleich viel.

Von Detlef Esslinger, München

Gewerkschaftschef muss ein Traumjob sein. Wie anders soll man es sich erklären, was Frank Bsirske, 66, am Ende über Horst Seehofer sagt. Der ist der fünfte Innenminister, mit dem er nun Tarifrunden austrägt - und Bsirske sagt, er würde sich "freuen, noch viele Verhandlungen mit ihm zu machen".

Das ist deshalb bemerkenswert, weil die nächste Tarifrunde mit dem Innenminister erst 2020 ansteht. Und bisher hatte Bsirske immer angekündigt, 2019 als Chef von Verdi abzutreten. Sind sich da zwei Wesensverwandte begegnet? Seehofer, 68, ist ja auch jemand, der einmal höchst verbindlich seinen Rückzug angekündigt hatte, nun aber noch länger weitermacht, als CSU-Chef und als Minister. Die Verhandlungen mit Bsirske nennt er vor den Kameras einen "Jungbrunnen", Bsirske antwortet: "So viel Harmonie war selten." Schönen Gruß an all diejenigen, die bei Verdi gerne 2019 seine Nachfolge antreten würden.

Es ist halb zwei in der Nacht, als die beiden, zusammen mit den anderen Unterhändlern, das Ergebnis präsentieren - achteinhalb Stunden, nachdem sie sich einig geworden waren, wenige Minuten, nachdem sie auch die Mitglieder ihrer eigenen Gremien überzeugt hatten; was manchmal der anstrengendere Teil ist.

Das Ergebnis ist weitaus komplexer und komplizierter als in anderen Tarifrunden. Wenn es nun heißt, die Gehälter steigen in drei Schritten - um 3,19 Prozent rückwirkend zum 1. März, um 3,09 Prozent im April 2019, um 1,06 Prozent im März 2020 -, dann stimmt das zwar, ist aber doch ungenau. Denn um diese Werte steigen die Gehälter im Durchschnitt. Das heißt: Die einen Beschäftigten bekommen ein niedrigeres Plus, die anderen ein höheres.

Der Grund liegt in den unterschiedlichen Interessen von Gewerkschaften und staatlichen Arbeitgebern. Die Gewerkschaften wollten vor allem etwas tun für die Niedriglohnempfänger und für die Älteren; in diesen Gruppen haben sie ihre meisten Mitglieder. Die Arbeitgeber wollten vor allem Hochqualifizierte und Jüngere fördern - um diese für einen Job beim Staat zu begeistern. Das Ergebnis ist ein Umbau der ganzen Tariftabelle: Der Abschluss beschert nun den drei Kernzielgruppen Niedriglohnempfänger, Jüngere und Hochqualifizierte besonders viel, während die Mittelqualifizierten und Älteren sich mit etwas geringeren Erhöhungen zufriedengeben müssen. Ein ungelernter, junger Arbeiter zum Beispiel erhält nun rückwirkend zum 1. März nicht bloß ein Plus von 3,19 Prozent (dem Durchschnittswert), sondern sogar von 4,37 Prozent. Ein älterer hingegen bekommt nur 3,13 Prozent. Ähnlich bei den Informationstechnikern: Die jungen in dieser Gruppe können nun im ersten Schritt mit einem Plus von 4,5 Prozent rechnen, die älteren hingegen nur mit knapp 2,9 Prozent. Als Faustregel für sämtliche der 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen kann gelten: Je länger sie dabei sind, umso geringer werden in den folgenden 30 Monaten ihre Lohnsteigerungen sein. Denn wer bereits beim Staat ist, um den muss dieser Arbeitgeber ja nicht mehr werben.

Im Lohnkampf geht es darum, dass sich hinterher jeder der Beteiligten als Sieger fühlen darf

In Tarifverhandlungen geht es nie darum, dass eine Seite die andere Seite besiegt - sondern darum, dass hinterher jeder der Beteiligten sich als Sieger fühlen darf. Der Münchner Stadtrat Thomas Böhle steht als Verhandlungsführer der Kommunen in der Öffentlichkeit immer ein wenig im Schatten des jeweiligen Innenministers - obwohl die Interessen der Kommunen eigentlich noch relevanter sind als die des Bundes: Sie haben viel mehr Beschäftigte als dieser, und der Anteil der Personalkosten an allen Kosten ist bei ihnen auch viel höher als beim Bund.

Böhle sagt, es sei gelungen, die Arbeit der Beschäftigten "angemessen zu honorieren und zugleich die Bezahlung der Fach- und Führungskräfte zu verbessern". Verdi-Chef Bsirske wiederum lässt am Mittwoch in den Redaktionen anrufen: ob man verstanden habe, dass die Bezieher niedriger Einkommen sich über ein Plus von mehr als zehn Prozent freuen dürften, verteilt über die 30 Monate Laufzeit. Für diejenigen Beschäftigten, die den Entgeltgruppen 1 bis 6 angehören, gibt es nämlich nicht nur die prozentuale Lohnerhöhung. Sie bekommen zusätzlich noch eine Einmalzahlung von 250 Euro, mit der nächsten Gehaltsabrechnung.

Der Bund beschäftigt darüber hinaus 344 000 Beamte; sie sind von Tarifrunden immer nur indirekt betroffen. Ihre Besoldung legt der Staat per Gesetz fest, die Gewerkschaften fordern aber stets, dass das Ergebnis für die Angestellten auf sie übertragen wird. Der Bund kommt dieser Forderung traditionell nach; Seehofer kündigt in Potsdam an, es bei dieser Praxis zu belassen. Also gehört auch der Beamtenbund zu den Siegern: "ein Gebot der Gerechtigkeit", betont die Organisation.

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SZ vom 19.04.2018
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