NSU-Untersuchungsausschuss:Der Polizist, der zum Ritter des Ku-Klux-Klans geschlagen wurde
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"Es ging immer nur um christliche Werte": Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart versucht der Polizist Jörg W. seine vorübergehende Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan herunterzuspielen. Es gelingt ihm nicht.
Von Tanjev Schultz und Josef Kelnberger, Stuttgart
Das also ist einer der Polizisten, die nach der Jahrtausendwende zeitweise Mitglied im Ku-Klux-Klan waren: Jörg W. sitzt da mit verkniffenem Mund, eine Strähne fällt ihm über die Stirn. Neben ihm ein Anwalt, den er sich sicherheitshalber mitnehmen durfte in diese Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag von Baden-Württemberg.
Man merkt dem Polizeibeamten an, dass er nicht besonders scharf darauf ist, hier Rede und Antwort zu stehen. Er windet sich. Seine Erklärungen, warum er damals Kontakt zu dem rassistischen Geheimbund aufnahm, wirken vage und wenig plausibel. Dann sagt er: "Glauben Sie mir: Über meine Blödheit mach ich mir selber genug Gedanken."
Die Bibelauslegung des Klans hat ihn interessiert, sagt Jörg W.
Doch an keiner Stelle gibt er zu, dass er selbst rassistischen Ideen gegenüber aufgeschlossen war. Stattdessen tischt der 45-Jährige dem Ausschuss, wie zuvor den Behörden, diese Geschichte auf: Ihn habe die Bibelauslegung des Klans interessiert.
War Jörg W. jemals zuvor christlich engagiert? Er verneint das. Und nach seiner Zeit im Klan? Auch nicht.
Einige Abgeordnete lassen durchblicken, dass sie die Darstellung des Polizisten, der disziplinarrechtlich nur milde gerügt wurde und weiterhin im Dienst ist, wenig glaubwürdig finden. Und der Zeuge lässt durchblicken, dass er eigentlich keine Lust mehr hat, sich zu seiner unrühmlichen Vergangenheit zu äußern. Irgendwann im Laufe der langen Befragung sagt er: "Ich bin so oft vernommen worden, sodass ich mich frage: Warum muss ich das zum x-ten Mal wieder erzählen?"
Auf seinem Beitrittsantrag habe etwas von christlichen Werten gestanden
Zuvor hatte Jörg W. immer wieder versucht darzulegen, wie kurz und harmlos sein Kontakt mit dem Klan gewesen sei. Er habe sich schon nach wenigen Wochen wieder distanziert und auch nie Mitgliedsbeiträge gezahlt. Auf seinem Beitrittsantrag habe etwas von christlichen Werten gestanden und dass man keine Straftaten begehen dürfe.
Den Kontakt zum Klan stellte der Bruder eines Kollegen her. Dieser Bruder war schon länger in der rechten Szene und auch im Geheimbund aktiv. In einer Sportsbar lernte man sich kennen, dort soll dann auch Achim S. anwesend gewesen sein, der Anführer der deutschen Klan-Gruppe aus Schwäbisch-Hall.
Achim S. hatte als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet. Als das Amt von den Klan-Umtrieben erfuhr, beendete es die Zusammenarbeit. Der Geheimdienst hatte aber noch eine andere Quelle im Geheimbund; das Bundesamt für Verfassungsschutz setzte seinen langjährigen Neonazi-Spitzel "Corelli" auf Achim S. und auf den Klan an.
Mehere Polizisten hatten Kontakt zum Klan
So erfuhren die Behörden auch davon, dass mehrere Polizisten Kontakt zu Achim S. und dessen Klan hatten - unter ihnen als Mitglieder Jörg W. und Timo H., der später Truppführer der Beamtin Michèle Kiesewetter wurde. Kiesewetter wurde 2007 vom NSU ermordet. Einen Zusammenhang zwischen dem Klan und dem Mord sehen Ermittler bisher nicht. Jörg W. versichert vor dem Ausschuss, er habe weder Kiesewetter noch die NSU-Terroristen gekannt.
Er behauptet zudem, sein Kontakt zu dem Geheimbund habe "ganz unverfänglich" begonnen. Er habe sich ganz gut mit den Leuten verstanden, man habe Adressen ausgetauscht, dann habe Achim S. ihm christliche Texte geschickt. "Es ging immer nur um christliche Werte und christlichen Glauben."
Wirklich?
"Rassenvermischung - nein, danke!"
Dem Zeugen wird ein Flugblatt der Klan-Gruppe gezeigt. Dort stand: "Rassenvermischung - nein, danke!" Abgebildet waren ein schwarzer Mann und eine weiße Frau. Das Flugblatt habe er mal bei Achim S. zu Hause gesehen, bestätigt der Polizist. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) schlussfolgert: "Dann war es doch eindeutig, was für eine Gruppe das ist!" - Darauf antwortet Jörg W. lapidar: "Ja, richtig."
Im Dezember 2001 nahm der Beamte an einer Aufnahmezeremonie teil. Er sei mit verbundenen Augen in eine Burgruine geführt worden. Die anderen hatten Kutten an. Dann stach er sich in einen Finger und drückte sein Blut auf ein Papier. Mit einem Deko-Schwert wurde der Polizeibeamte zum "Ritter" des Klans geschlagen
Später, bei einer anderen Feier, sei ein Skinhead-Typ aufgetaucht. Der habe richtig "vom Leder gelassen und rumkrakeelt". Das sei ihm zu viel gewesen; er habe sich anschließend nicht mehr beim Klan blicken lassen, sagt der Polizist Jörg W.
Probleme mit Schwarzen? - "Hab ich nicht."
Ob er denn selbst fremdenfeindlich eingestellt war? Der weist das einsilbig zurück. Probleme mit Schwarzen? - "Hab ich nicht." Ein Kollege hat etwas anderes über Jörg W. mitgeteilt.
Die Abgeordneten staunen immer wieder über den Zeugen. Sie fragen, ob er es denn für vereinbar mit dem Dienst als Polizist ansah, beim Ku-Klux-Klan mitzumachen. Jörg W. wirkt während seines Auftritts insgesamt wenig demütig. Nun sagt er immerhin: "Natürlich nicht. Ich könnte mich ja selber für diese Blödheit ein paarmal ohrfeigen."