Süddeutsche Zeitung

Verteidigung von Beate Zschäpe:Das letzte Plädoyer im NSU-Prozess ist gesprochen

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Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Für die Bundesanwaltschaft ist Zschäpe eine Terroristin, eine Mörderin, eine Attentäterin. Für ihre sogenannten Altverteidiger ist sie nichts von alledem. Einer einfachen Brandstiftung habe sich die 43-Jährige schuldig gemacht. Mehr nicht. Davon haben Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm das Gericht an den vergangenen acht Verhandlungstagen in ihrem Plädoyer zu überzeugen versucht. Zschäpe trage keine Schuld an den zehn vorwiegend rassistisch motivierten Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen, die dem rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrund, kurz NSU, zugerechnet werden.

"Sie hat mit zwei Mördern zusammengelebt, das ist eine Tatsache", sagt Zschäpes Verteidigerin Sturm am Donnerstag. Fast 14 Jahre lang verbrachte Zschäpe mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund. Die Morde und Anschläge habe Zschäpe nie gewollt, die innere Sicherheit Deutschlands nie gefährdet, sagt ihre Anwältin. Einen für Außenstehende nachvollziehbaren Grund, warum Zschäpe sich von Mundlos und Böhnhardt nicht getrennt hat, gebe es nicht, auch das sagt Sturm. Doch der Mensch handele nicht nur rational. "Wir wissen zu wenig, um hier ein abschließendes Bild entwerfen zu können", sagt sie. Für eine Verurteilung als Terroristin und Mörderin reiche dies nicht.

Zschäpes Unschuld von vornherein zu verneinen, weil sie mit Mundlos und Böhnhardt in einer "Wohngemeinschaft" lebte, hieße, sagt Sturm, die Vorverurteilung fortzuführen, der Zschäpe von Anfang an ausgesetzt gewesen sei. Auch die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung lägen nicht vor.

Die Anwältin plädiert auch dafür, die Verbrechen von Mundlos und Böhnhardt als das zu bezeichnen, was sie aus Sicht der Verteidigung seien: Serienmorde. Die Taten als Terrorismus zu bezeichnen, sei juristisch nicht haltbar und überhöhe die Verbrechen. Sie nicht als Terrorismus zu bezeichnen, mache sie für die Betroffenen nicht weniger schrecklich.

"Die Straftaten von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben, anders als die Terroranschläge der RAF, keine allgemeine Staatskrise ausgelöst, die zu massiven Gesetzesänderungen in Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung geführt haben", sagt die Anwältin. Und weiter: "Eine Staatskrise wurde in unserem Fall, wenn überhaupt, durch das spätere viel kritisierte Verhalten staatlicher Behörden ausgelöst." Sie meint das Versagen der Ermittlungsbehörden im NSU-Komplex.

Moralische Schuld versus strafrechtliche Schuld

Sturm schließt ihr Plädoyer mit einem Appell an die Richter: "Hoher Senat, moralische Schuld und strafrechtliche Schuld sind manchmal schwer auseinanderzuhalten. Wir setzen in Sie das Vertrauen, diese Grenze sehr genau bestimmen und beachten zu können."

Mit Sturms Plädoyer ist nun der letzte Schlussvortrag im NSU-Prozess gesprochen. Am kommenden Dienstag hört das Gericht auf Antrag der Verteidigung noch einmal einen Brandexperten an. Dann hat Zschäpe selbst Gelegenheit für ein letztes Wort. Das allerletzte Wort hat das Gericht. Nach mehr als fünf Jahren könnte im Juli das Urteil fallen.

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