Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Anwälte wollen das Verfahren aussetzen

Nach etlichen Kontroversen, teils auf offener Bühne vor Gericht, sehen die Verteidiger der Angeklagten Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe kein faires Verfahren mehr gegeben.

Von Tanjev Schultz, München

Im NSU-Prozess haben die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben beantragt, das Verfahren auszusetzen und ihren Mandanten aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Beate Zschäpe schloss sich dem Antrag an, wie ihr Anwalt Mathias Grasel mitteilte. Die geladenen Zeugen konnten daraufhin am Donnerstag nicht mehr wie geplant befragt werden. Ein Platzen des Prozesses gilt aber als unwahrscheinlich. Die Richter werden bald über den Antrag entscheiden. Bereits am kommenden Dienstag könnte die Hauptverhandlung regulär fortgesetzt werden.

Hintergrund der Anträge ist, dass der Streit zwischen Zschäpe und ihrem alten Verteidigerteam erneut ausgebrochen ist. Diese Situation versuchen Wohllebens Anwälte nun auszunutzen. Sie argumentieren, Zschäpe werde nicht mehr ordnungsgemäß verteidigt, dies würde auch ihren eigenen Mandanten betreffen. Ein faires Verfahren sei nicht mehr gewährleistet.

Am Vortag hatte es eine Kontroverse zwischen Zschäpes Verteidigern gegeben. Wolfgang Heer und Mathias Grasel hatten einander auf offener Bühne Vorhaltungen gemacht. Grasel beklagte, Heer und dessen Kollegen Anja Sturm und Wolfgang Stahl hätten ihm nicht ihre Mitschriften zu früheren Prozesstagen überlassen. Grasel ist erst vor wenigen Monaten neu in das Verfahren eingestiegen. Das Gericht hatte ihn bestellt, nachdem Zschäpe erfolglos versucht hatte, ihre drei anderen Pflichtverteidiger loszuwerden. Als diese am Mittwoch einen Antrag zur Aufklärung der Affäre um eine Nebenklägerin stellten, die gar nicht existiert, kritisierte Grasel, weder er noch Zschäpe seien zuvor über diesen Antrag informiert worden. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten hält die jüngsten Anträge, das Verfahren auszusetzen, dennoch für unbegründet. Zschäpe werde ordnungsgemäß verteidigt. Es dürfe nicht in ihr Belieben gestellt werden, den Prozess durch Kommunikationsabbruch zu torpedieren.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2015
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