Süddeutsche Zeitung

Nordstream 2:Was geblieben ist

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Der Bau der russisch-deutschen Gaspipeline ist in Mecklenburg-Vorpommern durchaus beliebt. Das hat nicht nur ökonomische Gründe.

Von Peter Burghardt

"Triumph des Leninismus", hieß das Bild, das im Neustädtischen Palais zu Schwerin hing, damals Maxim-Gorki-Haus genannt oder auch Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Das ist schon eine Weile her, es waren die Zeiten von DDR und Sowjetunion. In das Neustädtische Palais zog 2006 das Justizministerium von Mecklenburg-Vorpommern ein, seinerzeit unter Justizminister Erwin Sellering, SPD. Aber die Freundschaft gibt es noch. Oder wieder, auf andere Weise natürlich und mit einem anderen Namen.

"Deutsch-Russische Partnerschaft e.V.", steht auf einem Briefkasten in Schwerin, der Hauptstadt des Bundeslandes. Und, jedenfalls zuletzt, kaum sichtbar gleich darunter: "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV". Die umstrittene und gerade entstehende Stiftung hat fürs Erste dieselbe Adresse wie der deutsch-russische Partnerschaftsverein. Lindenstraße 1. Der Vorsitzende von beiden Schöpfungen ist Erwin Sellering, 71, der frühere Ministerpräsident.

Erst vor Kurzem war die Gründung dieser Stiftung Klima- und Umweltschutz MV mit der Mehrheit im Landtag vom Kabinett der SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig vereinbart worden, es folgte von manchen Seiten ein Sturm der Entrüstung. Denn offiziell soll das Projekt vor allem der Ökologie dienen, aber das Geld kommt hauptsächlich vom russischen Staatskonzern Gazprom, dem Betreiber der Gas-Pipeline Nord Stream 2. Und diese Stiftung Klima- und Umweltschutz MV soll auch dabei helfen, die US-Sanktionen gegen die Leitung aus Russland nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern zu umgehen und die international umkämpfte Röhre fertigzustellen.

200 000 Euro zahlt das rot-schwarz regierte Bundesland in die Stiftung ein. Gazprom will zunächst 20 Millionen Euro spendieren, also hundertmal so viel, und dann 20 Jahre lang jährlich zwei Millionen Euro. 60 Millionen Euro aus Moskau.

Eine Mogelpackung sei die Stiftung, meinen Kritiker, darunter Umweltschützer. Auch Außenminister Heiko Maas missfällt das Manöver, die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland und der Zivilgesellschafts-Thinktank Maecenata-Stiftung haben ebenfalls erhebliche Zweifel. Sie sehen politischen Missbrauch und fürchten um den guten Ruf von Stiftungen. "Wir sind keine Mogelpackung", sagt dagegen Erwin Sellering in der Ostsee-Zeitung. Man mache beides, also Naturschutz und Nord Stream. "Und ich stehe hinter beidem. Natürlich haben wir die Stiftung auch gegründet, um Nord Stream 2 zu Ende zu bauen."

Der Bau war zuletzt unterbrochen gewesen, weil die USA Unternehmen mit Sanktionen bedrohen, die an der Fertigstellung mitwirken. Einen bösen Brief bekam auch Mukran Port bei Sassnitz auf Rügen, wo Rohre für die Pipeline lagern und auf Verlegeschiffe verladen werden. US-Senatoren drohten dem Hafen mit wirtschaftlicher Vernichtung, was für Empörung sorgte. "Was die USA hier mit den Sanktionsdrohungen machen, ist völkerrechtswidrig", sagt nun auch Erwin Sellering in dem Interview. "Denn die Pipeline wird nach geltendem deutschen Recht gebaut." Was Hinweise auf russische Menschenrechtsverletzungen und die Bindung an Russland betreffe, so Sellering: "Wenn Sie die Einhaltung der Menschenrechte und Moral zum alleinigen Gradmesser des wirtschaftlichen und politischen Handelns machen, werden sie sich von vielen Partnern verabschieden müssen."

Tendenziell eher eine Verbindung nach Moskau als nach Washington

Erwin Sellering kommt aus dem Ruhrgebiet, aber er ist seit einem Vierteljahrhundert in Mecklenburg-Vorpommern, zunächst als Richter, dann als Minister, schließlich als Regierungschef. Er kennt wie die jetzige Landeschefin Manuela Schwesig die Befindlichkeiten einer Region, in der aus historischen und geografischen Gründen tendenziell eher Verbindungen nach Moskau bestehen als nach Washington.

Sellering hatte sich stets um ein gutes Verhältnis gen Osten bemüht, auch nach der russischen Annexion der Krim. Nach dem Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny bat er um "unvoreingenommene und objektive Aufklärung" des "verabscheuungswürdigen Verbrechens". 2017 trat Sellering wegen einer Krebserkrankung als Ministerpräsident zurück. 2018 gründete er die "Deutsch-Russische Partnerschaft e.V.", zu deren Vorstand auch der Nord-Stream-Sprecher Steffen Ebert gehört. Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern außerdem den Russlandtag, ein Wirtschaftstreffen, bei dem zum Beispiel der Altkanzler Gerhard Schröder sprach, der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG. Nord Stream 2 zählte zu den Sponsoren der Veranstaltung.

Die russisch-deutsche Pipeline ist in Mecklenburg-Vorpommern durchaus populär, aus ökonomischen und emotionalen Gründen. Das weiß die Ministerpräsidentin Schwesig, sie nennt die Gaslieferung Brückentechnologie. Die Bedenken lassen sie kalt, im Herbst wird gewählt. Bei der Stiftung wurden derweil Stellen ausgeschrieben. Bisher, so Sellering, habe die Geschäftsführerin vom Verein Deutsch-Russische Partnerschaft "in einer Nebentätigkeit einige vorbereitende Arbeiten für die Stiftung erledigt".

Die Grünen halten Nord Stream 2 und die Stiftung für Unfug. "Den Klimaschutz nun auch noch in den Vordergrund zu stellen, um dieses Projekt irgendwie zu verteidigen, ist schäbig", sagt ihre Spitzenkandidatin Anne Shepley. "Mit Klimaschutz hat die Pipeline nichts zu tun und die durch die Landesregierung initiierte und von Gazprom finanzierte Klimaschutzstiftung auch nicht." Sie brachte Sellering kürzlich einen Bio-Kräutertee namens "Little Dreamer". Kleiner Träumer.

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