Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Pingpong und Propaganda

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Das Regime in Pjöngjang gibt mit der Ankündigung neuer Raketentests Rätsel auf, Trump mit Tweets. Nimmt er Nordkorea nicht ernst, oder droht er ihm?

Von Christoph Neidhart, Tokio

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un hat in seiner Neujahrsansprache den baldigen Test einer Interkontinentalrakete angekündigt, mit der sein Militär in der Lage sein würde, die USA mit Atombomben zu treffen. Der künftige US-Präsident Donald Trump kommentierte per Twitter, das werde nicht geschehen. Wieso nicht, oder wie er einen solchen Test verhindern wolle, erklärte Trump nicht.

Nordkorea betreibt seit Jahrzehnten eine Säbelrassel-Diplomatie. In Südkorea nehmen es die Menschen kaum mehr zur Kenntnis, wenn Pjöngjangs Propaganda droht, Kim werde ihre Hauptstadt Seoul in einen Feuersturm verwandeln. Auch die Atom- und Raketentests beunruhigen die Südkoreaner wenig, manche Politiker glauben: zu wenig. Nordkoreas Erklärungen sind vor allem Propaganda, einige der Raketentests wurden nachweislich erst dank Photoshop zum Erfolg. Und damit zur Bedrohung. Die meisten Raketentests der vergangenen Monate sind gescheitert, eine Langstreckenrakete testete Nordkorea noch nie. Von seinem vierten Atomtest vor einem Jahr behauptete Pjöngjang, es habe eine Wasserstoff-Bombe gezündet. Aufgrund der wissenschaftlichen Auswertung der Daten halten die Experten das jedoch für einen Schwindel. Was Nordkorea sagt, hat oft wenig mit seiner Realität zu tun.

Allerdings gibt es auch Zweifel am Realitätsgehalt und der Ernsthaftigkeit der Twitter-Diplomatie, mit der Trump die Welt schon vor seiner Amtseinsetzung in Atem hält. Der künftige Präsident hat einmal gesagt, er werde Jungdiktator Kim Jong-un zu einem Hamburger einladen und ihn überzeugen, sein Atomprogramm aufzugeben. Nun scheint er ihm zu drohen. Strobe Talbott, einst Bill Clintons Vize-Außenminister, fragte in einem Antwort-Tweet, ob Trump mit seiner Kurznachricht einen Präventivschlag gegen den Norden angekündigt habe.

Südkorea, ein Verbündeter der USA, muss jede militärische Aktion gegen den Norden fürchten. Seine Hauptstadt liegt nur 45 Kilometer südlich der innerkoreanischen Grenze. Sollten die USA Nordkorea angreifen, würden sie damit das Kim-Regime vermutlich auslöschen - aber gleichzeitig Seoul den Angriffen Nordkoreas und damit einer immensen Zerstörung preisgeben.

Washingtons Nordkorea-Politik der letzten drei Jahrzehnte pendelte zwischen Dialog und Einbindung, Ignorieren und militärischen Drohungen. Barack Obama soll Trump nach seiner Wahl gewarnt haben, Nordkorea müsse als Bedrohung von Amerikas nationaler Sicherheit Priorität haben. Er selber ignorierte Nordkorea freilich meist, bis er in den letzten Jahren zuweilen ratlos die Muskeln des US-Militärs spielen ließ. Außerdem sorgte er mit Nachdruck für schärfere Sanktionen der UN. Sanktionen führen in der internationalen Politik indes nur sehr selten zum Erfolg, Sanktionen ohne gleichzeitige Verhandlungen fast nie. Trotz jahrzehntelanger Sanktionen sitzt Kim fest im Sattel. Und obwohl das Regime seine militärische Kraft übertrieben darstellt, hat Obamas Politik es ihm erlaubt, seine Waffen während acht Jahren zumindest weiter zu entwickeln.

Trump erbt mithin eine Nordkorea-Politik in Trümmern. Zumal Südkorea, der naheliegende Partner für eine Nordkorea-Politik, auf absehbare Zeit politisch gelähmt ist. Ignorieren geht nicht mehr, militärische Drohungen wirken angesichts der Folgen für Seoul hohl, und Verhandeln wird Kim Jong-un derzeit so wenig wollen wie Trump selber. Dieser hat freilich auch dafür einen Tweet. Er nörgelte, China nehme den USA "in einem total einseitigen Handel viel Geld und Wohlstand ab, hilft aber bei Nordkorea nicht".

Sicherlich gibt es keine Nordkorea-Lösung ohne Peking. Christopher Hill, Präsident George W. Bushs Unterhändler für Nordkorea, empfiehlt Trump, er sollte mit Peking zusammenarbeiten. "Sicher sollte er die Chinesen nicht verärgern", sagte er. Wie zum Beispiel mit einer Verknüpfung der Handels- mit der Nordkorea-Politik. Bisher gibt Trump Peking mit seinen Tweets eher die Gelegenheit, sich als jene Partei im Streit über Nordkoreas Atomwaffen darzustellen, die ihre Verantwortung wahrnimmt, Ruhe bewahrt und nicht mit dem Propaganda-Feuer spielt.t

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SZ vom 07.01.2017
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