Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Kim Jong Uns Feuerwerk ist vor allem Bluff

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Von Christoph Neidhart, Tokio

Führergeburtstage feiert das Regime in Pjöngjang gerne mit Feuerwerk, und weil Nordkorea mittlerweile drei Führer hat und auch andere Jahrestage mit Knall begeht, böllert es ziemlich oft. Und so laut, dass die ganze Welt es wahrnimmt.

In der Morgendämmerung am Freitag, um fünf Uhr nordkoreanische Ortszeit, startete der Norden eine Musudan-Rakete, die mit einer Reichweite von 3000 bis 4000 Kilometern Südkorea, Japan und auch die US-Insel Guam erreichen könnte. Nordkorea soll etwa 50 Musudan-Raketen stationiert haben, davon einige auf mobilen Rampen, heißt es in Seoul. Sie seien gegen Südkorea gerichtet.

Getestet wurde der Raketen-Typ bisher jedoch nie. Nach übereinstimmender Beurteilung des Pentagon und der südkoreanischen Regierung ist dieser erste Test gescheitert. Die von der Ostküste gestartete Rakete sei "von ihrer Flugbahn abgekommen", so das Verteidigungsministerium in Seoul. Sie dürfte kurz nach dem Start ins Meer gestürzt sein.

Nach Meinung unabhängiger Experten wie Robert Schmucker, Professor für Raumfahrttechnik an der TU München, wird das Regime noch viele Jahre brauchen, bis es eine zuverlässig funktionierende ballistische Rakete bauen kann. Wenn es überhaupt je so weit kommt. Schmucker hat mehrfach Raketen, die Jungdiktator Kim Jong Un bei seinen Militärparaden vorführen ließ, als Attrappen entlarvt.

Gemäß nordkoreanischer Verfassung ist Kim Il Sung der "ewige Präsident"

Kims Feuerwerk ist vor allem Bluff. Das weiß man auch in Seoul, Washington und Tokio, sagt es aber lieber nicht zu laut. Mit Nordkorea können die Regierungen gegenüber ihrer unwilligen Bevölkerung die Präsenz von US-Truppen in Südkorea und Japan rechtfertigen, wie auch die Stationierung von THAAD, einem Hightech-Raketenabwehrsystem, ohne dass sie China nennen müssen. Außerdem zeigt Kim der Welt, dass ihn auch verschärfte Sanktionen nicht beeindrucken. Es scheint, er habe das Spiel seines Vaters von Drohnungen von Wohlverhalten aufgegeben, mit dem dieser Südkorea und dem Westen Wirtschaftshilfe abpresste.

Am Freitag begeht Nordkorea den "Tag der Sonne", den Geburtstag von Kim Il Sung, dem Staatsgründer und "Großen Führer". Der Großvater von Kim Jong Un wäre heute 104 Jahre alt geworden. Er ist zwar seit 22 Jahren tot, aber gemäß nordkoreanischer Verfassung ist er der "ewige Präsident" des Landes. Die Symbolsprache, mit der die Propaganda Vater und Großvater Kims hoch- und weiterleben lässt, ist mehr als ein Personenkult; sie operiert mit Ritualen aus dem Christentum und solchen der Vergötterung des Kaisers im Vorkriegsjapan.

Nordkoreanischer Satellit ohne Funktion

Nordkoreas zweiter Führer war Kim Jong Il, der Vater von Kim Jong Un. Auch er ist schon tot und doch noch im Amt: als "ewiger Führer". Zu seinem Geburtstag startete sein Sohn im Februar einen Satelliten. Das Objekt gelangte zwar auf eine Erdumlaufbahn, hat aber keinerlei Funktion und auch keine Verbindung mit einer Bodenstation.

Der dritte Führer, der 33-jährige Kim Jong Un, der "junge General", ist damit beschäftigt, seine Macht zu konsolidieren. Das tut er mit brutaler Repression und, indem er sich auf seinen Vater und Großvater bezieht, ihnen zum Beispiel mit Feuerwerk huldigt. Sein Säbelrasseln gegen Südkorea und die USA und seine Raketen- und Atomtests sind primär nach innen gerichtet, als Machtdemonstrationen für die eigene Bevölkerung, vor allem die Elite. Von den kleinen Leuten in der Provinz wissen wir, dass viele jeden Glauben an das Regime verloren haben. Sie sind voll damit beschäftigt zu überleben.

Für anfang Mai hat Kim die nordkoreanische Arbeiterpartei zu ihrem siebten Parteitag einberufen, dem ersten seit 36 Jahren. Auch diesen hohen Tag wird er mit Feuerwerk begehen. Manche Experten in Südkorea rechnen mit einem Atomtest.

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