Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Fragwürdige Maskengeschäfte

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Der Influencer Sywert van Lienden bot in der Pandemie schnelle Hilfe an, jetzt besteht der Verdacht auf Freundschaftsdienste - und die Sache bringt die niederländische Regierung in Bedrängnis.

Von Thomas Kirchner, München

Schutzmasken waren begehrt, aber knapp im Frühjahr 2020. Bei der Beschaffung, meist in China, kam es weltweit zu wilden Wettrennen und dubiosen Deals, an denen sich wagemutige Unternehmer und in Deutschland sogar Politiker bereicherten. Ein besonders zwielichtiges Geschäft aus der damaligen Zeit bringt nun die niederländische Regierung in Bedrängnis. Und lässt viele den Kopf schütteln über die Unmoral vermeintlicher Vorbilder.

Im Zentrum der Affäre steht der Influencer und Aktivist Sywert van Lienden. Der 30-Jährige bot damals blitzschnell Hilfe an. Er organisierte, zusammen mit zwei Partnern, in China zwei Lieferungen über 40 Millionen Masken für 100 Millionen Euro. Van Lienden ist eine "Medienpersönlichkeit", einer, der fast wöchentlich in Talkshows sitzt. Er hat eine Jugendbewegung gegründet, gemeinnützige Projekte angeschoben, für Zeitungen und Magazine geschrieben, für die Stadt Amsterdam geworben.

Ein Millionendeal als Selbstlosigkeit verkauft

Politisch steht er den Christdemokraten nahe und war auf dem Sprung zu einer Politikerkarriere. Man nahm ihm ab, das Maskengeschäft aus purer Selbstlosigkeit eingefädelt zu haben. Er ließ sich als "Held" und "Maskenchef" feiern, durfte sich lustig machen über Konkurrenten, die Fälschungen aufsaßen.

Wie es wirklich lief, fanden die Zeitung Volkskrant und das Portal Follow the Money heraus. Demnach gründeten van Lienden und seine Mitstreiter zusätzlich zu einer Stiftung ein Unternehmen, das an dem Maskendeal 20 Millionen Euro verdiente. Über eine Kommanditgesellschaft flossen neun Millionen an van Lienden, jeweils mehr als fünf Millionen an seine Partner. Peinlich für die Aktivisten. Doch wird immer deutlicher, dass es sich offenbar um ein Freundschaftsgeschäft handelte, mithin wohl Korruption im Spiel war.

Beamte im Gesundheitsministerium hatten Zweifel geäußert an der Vertrauenswürdigkeit van Liendens, der keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet hatte. Experten beurteilten die Hälfte der Lieferung zudem als gesundheitsschädlich wegen des verwendeten Graphens. Auch lag der Preis weit über jenem, der damals wirklich in China verlangt wurde. Trotzdem drückte die Ministeriumsspitze das Geschäft durch, finanzierte es komplett vor und übernahm auch die Transportkosten. Der Verdacht liegt nahe, dass van Liendens Kontakte zu den mitregierenden Christdemokraten halfen. Benutzt wurden die Masken übrigens nie, sie lagern im Depot.

Im Parlament räumte die amtierende Ministerin Tamara van Ark ein, dass sich van Liendens Bekanntheit ausgezahlt haben könnte. Sie bat um Verständnis für den damaligen Entscheidungsdruck und leitete eine externe Untersuchung ein. Van Lienden selbst hatte zunächst nicht auf die Enthüllungen reagiert, unter Verweis auf eine angebliche Schweigepflicht. Am Wochenende räumte er schließlich alle Fakten ein und entschuldigte sich. Den Gewinn werde er spenden, am besten einer Einrichtung, die sich um krebskranke Kinder kümmert. Mehrere infrage kommende Stiftungen erklärten sofort, das Geld nicht annehmen zu wollen. Es stehe den Steuerzahlern zu.

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