Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Der Förster

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BUND-Chef Weiger ist inzwischen 72 Jahre alt und hört nun an diesem Wochenende auf. Er war zwölf Jahre lang Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz. Er hat wie kein anderer die Umweltbewegung geprägt.

Von Michael Bauchmüller

Der Zivildienstleistende Hubert Weiger konnte nicht ahnen, dass dieser hübsche Vergleich ausgerechnet seiner Mutter aufstoßen würde. 1972 war es, die Bahn wollte im Nürnberger Reichswald einen Güterbahnhof errichten. Und der Diplom-Forstwirt Weiger, seinerzeit nach dem Studium Zivi beim Bund Naturschutz, wetterte dagegen mit den Worten: "Die Bundesbahn plant für das Jahr 2000 nach Großmutters Muster." Das fand Weigers Mutter Großmüttern gegenüber gar nicht nett. Aber egal, der Güterbahnhof kam nicht. Eine aufkeimende Umweltbewegung mit einem Zivi hatte ihn verhindert.

Just in Nürnberg ist es, wo Hubert Weiger, inzwischen 72, an diesem Samstag aus der ersten Reihe abtritt. Zwölf Jahre lang war er Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Noch einmal will er sich nicht zur Wahl stellen, es gibt drei andere Kandidaten für das Amt. So wird an diesem Wochenende auch eine Ära enden: Wie kaum ein anderer hat Weiger die Umweltbewegung der vergangenen Jahre geprägt.

Eine Nervensäge war er immer, ob beim Nürnberger Rangierbahnhof, rund um die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf oder beim Thema Waldsterben. Aber er war nie ein Bilderbuch-Öko mit Wollpulli und zotteligen Haaren. Bis heute ist ein eckiges Brillengestell aus Metall sein Markenzeichen, er wirkt mehr wie ein Förster als wie ein Aktivist. Das machte ihn für die Gegner in Politik und Unternehmen umso schwerer zu greifen.

Doch Weiger, der sich auf dem Weg an die Verbandsspitze einst auch mit seinem Förderer und Vorgänger Hubert Weinzierl überworfen hatte, ist und bleibt ein kompromissloser Umweltschützer. Wo andere in mühsamen Einigungen zum Klimaschutz noch winzige Fortschritte loben, sieht Weiger Niederlagen. Als 2013 Umweltschützer unter Protest die Klimakonferenz in Warschau verließen, war er vorn dabei. Und als auch die Grünen 2011 dem schwarz-gelben Atomausstieg zustimmten, war er enttäuscht: Er wollte sofort raus. Die Umweltbewegung sah er immer auch als eine Art außerparlamentarische Opposition, und in seiner Zeit an der BUND-Spitze wollte er sie mehr und mehr auf die Straße holen. Das gelang.

Gleichwohl wirkte er zuletzt in jener Kommission mit, die einen Pfad für den Kohleausstieg suchen sollte; freilich nicht ohne gemeinsames Sondervotum der Umweltverbände. Auch das eine Entwicklung der vergangenen Jahre: Die Verbände treten häufiger gemeinsam auf, rufen zusammen zu Aktionen auf.

"Natürlich sind wir nie am Ziel", sagt Weiger. "Dafür sind die Aufgaben zu groß." Letztlich müsse man aber jeden kleinen Erfolg mitnehmen, "und dann weiter." Das gilt auch für ihn selbst: Für einen völligen Rückzug aus der Umweltpolitik, sagt er, fühle er sich noch zu jung.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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