Süddeutsche Zeitung

Nahost:Im Zeichen des Zorns

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Jugendliche Palästinenser legen Feuer an der heiligen Stätte des Josefsgrabs, Messerattacken auf Israelis und Gegengewalt halten an. Nun befasst sich der UN-Sicherheitsrat mit der Lage.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Hoch schlugen die Flammen am heiligen Ort, lichterloh brannten Teile der Anlage rund um das Josefsgrab in Nablus im Westjordanland. Hunderte junge Palästinenser hatten sich hier am Freitag im Morgengrauen zum Protest versammelt, ein paar Dutzend drangen schließlich in den Komplex ein, der von frommen Juden als letzte Ruhestätte des biblischen Stammvaters Josef in höchsten Ehren gehalten wird. Mit Molotowcocktails entfachten die Randalierer das Feuer, bis sie schließlich von palästinensischen Sicherheitskräften zurückgedrängt wurden. Der Sachschaden wird als groß beschrieben, doch schlimmer ist wohl, dass ein solcher Angriff auf eine religiöse Stätte die ohnehin höchst unruhige Lage noch verschärfen könnte.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, der bislang bestenfalls ambivalent auf die jüngste Gewaltwelle reagiert hat, beeilte sich nun, die Brandattacke als "unverantwortlich" zu verurteilen. Israels Rechte waren dennoch außer sich vor Wut. Agrarminister Uri Ariel nannte den Anschlag "unverzeihlich", der frühere Außenminister Avigdor Lieberman verglich die Palästinensische Autonomiebehörde mit dem Islamischen Staat. Hier wie dort würden Kulturgüter zerstört, überdies zögen die jungen Kämpfer mit Messern und Macheten los.

Auch andernorts kam es in den Palästinensergebieten zu Ausschreitungen und Gewalt, nachdem die Hamas nach dem Freitagsgebet zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen hatte. In der Siedlung Kirjat Arba nahe Hebron stach ein als Pressefotograf verkleideter Angreifer einen israelischen Soldaten nieder, bevor er erschossen wurde. An der Grenze zum Gazastreifen geriet ein israelisches Militärfahrzeug unter Beschuss. Bei den folgenden Auseinandersetzungen wurde ein Palästinenser getötet, zahlreiche wurden verletzt. Bei der Gewaltwelle seit Anfang des Monats kamen bislang sieben Israelis und mehr als 30 Palästinenser um.

Die Eskalation der Gewalt hat die internationale Diplomatie auf den Plan gerufen. In einer Dringlichkeitssitzung wollte sich noch am Freitag der UN-Sicherheitsrat mit der Lage befassen. US-Außenminister John Kerry hat eine baldige Reise in die Region angekündigt. Spekuliert wird über ein Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu und Abbas in Jordaniens Hauptstadt Amman. Netanjahu hat sich zu einem direkten Gespräch mit Abbas bereit erklärt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte in Berlin, Israel habe "jedes Recht, seine Bevölkerung vor Angriffen zu schützen". Zugleich forderte er "Augenmaß" beim weiteren Vorgehen.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2015
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