Süddeutsche Zeitung

Nach den Anschlägen in der Ukraine:Bomben und Bedenken

Die Ukraine sorgt seit Wochen für beunruhigende Meldungen, die Anschläge im Osten des Landes aber haben für Angst und Schrecken gesorgt. Der Westen muss nun mit allen Mitteln versuchen, das Land zu stabilisieren. Dazu gehört Diplomatie, aber auch die Fußball-EM.

Julian Hans

Seit Tagen kommen beunruhigende Meldungen aus der Ukraine - und in sechs Wochen will Europa dort ein Fußballfest feiern. Die wichtigste Oppositionspolitikerin des Landes sitzt nach einem politisch zurechtgeschneiderten Urteil hinter Gittern. Eine angemessene medizinische Versorgung der schwerkranken Julia Timoschenko ist im Gefängnis nicht möglich. Der deutsche Bundespräsident sagt aus Protest gegen die Rachejustiz ein Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen ab. In der viertgrößten Stadt des Landes explodieren kurz hintereinander mehrere Sprengsätze.

Eine Verbindung zwischen innenpolitischem Konflikt und Terroranschlag mag sich in der ersten Schrecksekunde aufdrängen; beim zweiten Nachdenken aber führt diese Spekulation nicht weit. Dnjepropetrowsk ist zwar die Heimatstadt Julia Timoschenkos, aber hier enden die Gemeinsamkeiten schon. Hätten die Täter die Regierung treffen wollen, hätten sie auf Politiker oder Institutionen gezielt.

Wer auch immer die Bomben gelegt hat, wollte mit der Anschlagserie im Stadtzentrum zur Mittagszeit Angst und Schrecken verbreiten und die Bevölkerung verunsichern. Er wollte die Stabilität des ukrainischen Staates und der ukrainischen Gesellschaft erschüttern. Daran kann derzeit keines der beiden verfeindeten politischen Lager im Land ein Interesse haben.

Im Westen sollten die Ereignisse vor allem an eines erinnern: Die Ukraine ist ein junger Staat, der gerade einmal auf eine zwanzigjährige Geschichte zurückblickt. In vieler Hinsicht ringt er noch um seine Identität und um seinen Platz in Europa. Alle Diplomatie - aber auch die Fußball-EM - sollte einem Ziel dienen: das Land zu stabilisieren.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2012
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