Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Der General und die Lady

Lesezeit: 2 min

Die Armee setzt im Rohingya-Konflikt auf Härte. Menschenrechtler sprechen von schweren Verbrechen.

Von Arne Perras, Singapur

Der UN-Sicherheitsrat hat keine Namen genannt, als er die Gewaltexzesse im Westen Myanmars vor wenigen Tagen verurteilte. Doch Armeechef Min Aung Hlaing wird die Botschaft aus New York dennoch vernommen haben. Er hat auch schon auf seine Weise darauf geantwortet. In seiner jüngsten Erklärung ging der Oberkommandierende mit keinem Wort auf die Massenflucht und das Leid hunderttausender Vertriebener ein. Stattdessen sprach er über die Staatsfeinde, die bekämpft werden müssten. Die Gewalt entspringe dem "organisierten Versuch bengalischer Extremisten, den Norden Rakhines in ihre Hochburg zu verwandeln". 93 Gefechte habe es seit dem 25. August mit Aufständischen gegeben. Der General zeichnet ein Bild heftiger Kämpfe, ein Szenario, in dem die Truppe unverzichtbar ist, um Staat und Grenzen zu schützen.

Was an diesem Bild stimmt, lässt sich schwer beurteilen, solange die Armee unabhängige Beobachter nicht in die Krisenzone lässt. Die Darstellung des Generals reibt sich jedenfalls kräftig mit Einschätzungen von Menschrechtsgruppen, die ei-ne Strategie der verbrannten Erde und systematische Vertreibungen der muslimischen Minderheit anprangern. Bisher sieht es nicht so aus, als könnte die Kritik den Militärchef zügeln. Der 1956 geborene General ist der mächtigste Mann in Myan-mar, seitdem er 2011 den früheren Junta-Chef Than Shwe ablöste. In eisernen Militäroffensiven gegen ethnische Minderheiten im Norden hatte er seine Härte bewiesen, sie ebneten ihm den Weg nach oben.

Nun führt er den Militäreinsatz im Westen. Analysten gehen davon aus, dass Wahlsiegerin Aung San Suu Kyi ihn kaum wird stoppen können, selbst wenn sie es wollte. Die Außenministerin, die Myanmars Führung beansprucht, will am Dienstag zur Nation sprechen. Der General aber hat schon vor ihr Stellung bezogen, um die Marschrichtung festzuzurren. Die "Lady" und der General hatten nach der Wahl signalisiert, sie wollten für Frieden und Fortschritt kooperieren. Doch nun muss sich Suu Kyi entscheiden, ob die Allianz auch für einen Vertreibungskrieg gelten soll, in dem der Armee schwere Verbrechen gegen Zivilisten vorgeworfen werden.

Der General ruft die Bürger auf, sich im Streit um die staatenlosen Muslime hinter ihm zu scharen. Er spricht von einer nationalen Angelegenheit und hofft offenbar, dass der Armee das Ressentiment nützt, das die buddhistische Mehrheit gegen die Rohingya hat. Das Misstrauen ist einerseits durch Zusammenstöße zwischen Muslimen und Buddhisten in Rhakine historisch gewachsen. Andererseits hat es die Armee auch oft gezielt geschürt, wenn sie sich davon einen Nutzen versprach.

Erst im April war Min Aung Hlaing nach Deutschland und Österreich gereist. Fototermine gab es nicht, anders als drei Jahre zuvor, als Kanzlerin und Präsident mit Aung San Suu Kyi in die Kameras lächelten. Der Besuch des Generals fand wenig Beachtung, abgesehen von der Kritik einiger Menschenrechtler wie dem Chef der "Burma Campaign UK", Mark Farmaner. "Der einzige Ort in Europa, den Min Aung Hlaing besuchen sollte, ist der internationale Strafgerichtshof in Den Haag," sagte er. Der General bewegte sich außerhalb der Schweinwerfer, aber immerhin auf Einladung des Generalinspekteurs der Bundeswehr. Um was es in den Gesprächen ging, drang nicht nach außen.

Diplomaten deuteten an, dass hinter dem Besuch der Versuch stehe, das Militär in den schwierigen Wandel einzubinden anstatt es auszugrenzen. Die Einschätzung lautete, dass Friede mit all den ethnischen Minderheiten nur mit der Armee gelingen könne - und nicht gegen sie. Doch nun ist die Gewalt in Rakhine eskaliert. Und es herrscht Ratlosigkeit, manche dürften sich getäuscht fühlen vom General. Doch der kann darauf setzen, dass er als tapferer Hüter der Grenzen noch eine Zukunft hat in seinem Land.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3671708
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.09.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.