Süddeutsche Zeitung

Mord im Kleinen Tiergarten:Berlin greift durch

Die Ausweisung russischer Diplomaten ist eine Warnung.

Von Frank Nienhuysen

Diese Geschwindigkeit hat dem deutschen Außenministerium kaum jemand zugetraut. Der Berliner Mord in Kleinen Tiergarten an einem georgischen Staatsbürger ist noch nicht aufgeklärt, der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen gerade erst selber übernommen, und schon greift die Bundesregierung durch. Berlin weist zwei russische Diplomaten aus und dürfte davon ausgehen, dass bald auch zwei deutsche Botschaftsangehörige Moskau verlassen müssen. Quid pro quo, so läuft das Geschäft.

Deutschland und Russland steuern deshalb keineswegs auf eine große diplomatische Krise zu. Die schnelle Ausweisung wirkt stattdessen eher wie eine deutsche Krisenvermeidungstaktik. Was rasch entschieden wird, ist auch schnell vom Tisch. Der Verdacht der Ermittler, dass staatliche russische Stellen mit dem Auftragsmord zu tun haben, hat sich offensichtlich gefestigt. Doch die Bundesregierung weiß, dass sich ohne Kooperation der russischen Behörden der Fall kaum lösen lässt. Und damit auch nicht ihr Dilemma.

Berlin muss handeln, falls andere Staaten in Deutschland bei Morden die Finger im Spiel haben. Die schnelle Reaktion ist daher mehr Warnung als strafende Konsequenz. Und sogar vergleichsweise milde. Im Fall Skripal wies Berlin doppelt so viele Diplomaten aus - für einen Anschlag in Großbritannien.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4709308
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.12.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.