Süddeutsche Zeitung

Mohrenstraße in Berlin:Als Ehrung gedacht und doch rassistisch

Die Hofmohren, an die die Mohrenstraße erinnern soll, waren nicht freiwillig in Preußen - sie waren Sklaven. Dass die Straße nun nach Anton Wilhelm Amo benannt wird, ist eine gute Wahl.

Kommentar von Ronen Steinke

Die Mohrenstraße in Berlin ist ein teures Pflaster. Sie liegt, wo früher das Machtzentrum Preußens lag, in einer Ecke, in der viele Straßen nach Figuren des einstigen Hofes benannt sind: Friedrichstraße, Wilhelmstraße, Charlottenstraße. Mittendrin die Mohrenstraße: Das war historisch nicht dazu gedacht, jemanden rassistisch zu schmähen. Es war, im Gegenteil, sogar als Ehrung gedacht - für jene Afrikaner, die aus Sicht der damaligen Aristokratie auch zum Hof gehörten.

Wenn man heute in eine Zeitmaschine steigen und dem Alten Fritz erzählen könnte, dass Grüne und SPD in Berlin gerade beschlossen haben, diesen "diskriminierenden" Straßennamen zu streichen, würde er wohl aus allen Wolken fallen. Wie bitte? Ich liebe doch meine Mohren mit ihren putzigen roten Uniformen!

Aber das ist der Moment, an dem es Widerspruch braucht. Die Ghanaer, die seit dem 17. Jahrhundert als exotisches Dekor feudaler Haushalte dienten, waren selten freiwillig gekommen; oft in Ketten. Es waren Preußens Sklaven. Das mögen die Mächtigen drollig gefunden haben, was sie auch durch vermeintliche Ehrungen unterstrichen. Das war es nie.

Künftig soll die Straße in Berlin nach Anton Wilhelm Amo heißen. Eine gute Wahl. Auch er war ein "Hofmohr", bekam sogar die Vornamen seiner Herren aufgedrückt. Aber er brachte es zum ersten afrikanischstämmigen Doktor der Philosophie in Europa - und schaffte es vor allem, den Kolonialverbrechern zu entkommen und in seine Heimat zurückzukehren.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2020
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