Süddeutsche Zeitung

Mohammed-Schmähvideo:Aufführungsverbot spaltet Muslim-Verbände

Lesezeit: 2 min

Erlauben? Oder verbieten? Kontrovers diskutieren deutsche Politiker über die Frage, ob der islamfeindliche Film "Die Unschuld der Muslime" gezeigt werden darf. Selbst die muslimischen Verbände sind sich uneins. Der Zentralrat der Muslime warnt sogar vor "Straßenschlachten" in Deutschland.

Angesichts der Unruhen in der muslimischen Welt wegen eines islamfeindlichen Schmähvideos aus den USA wird in Deutschland kontrovers über ein Aufführungsverbot diskutiert.

Das von Hass geprägte und auf Youtube ausschnittsweise veröffentlichte Video hatte in zahlreichen muslimischen Ländern antiwestliche Massenproteste entfacht. Politiker fürchten Unruhen auch in Deutschland und wollen deshalb verhindern, dass der Film öffentlich gezeigt wird.

Von freier Meinungsäußerung könne keine Rede mehr sein, sagte der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, Ali Kizilkaya, der taz. Das Video sei eine "tiefgreifende Beleidigung". Auch Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, plädierte für ein Verbot. "Wir laufen ... Gefahr, dass der öffentliche Frieden hier empfindlich gestört wird", sagte er in der ARD. Es sei vorstellbar, dass Extremisten "hüben wie drüben" Straßenschlachten anzettelten. Daher sollten alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden.

Die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, Lamya Kaddor, sprach sich gegen ein Aufführungsverbot aus. "Je mehr man über ein Verbot redet und die Tabuisierung solcher Inhalte vorantreibt, desto mehr Schaden richtet man an", warnte sie in der taz. Diskussionen über Verbote und Sonderregelungen für Muslime würden Islamfeindlichkeit in Deutschland schüren.

Auch der Islamexperte Rauf Ceylan hält ein Aufführungsverbot des Schmähvideos in Deutschland für überzogen. "Damit würde man den Film wichtiger machen als er ist", sagte der Religionswissenschaftler der Saarbrücker Zeitung.

Berliner Senatorin ruft zum Film-Boykott auf

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt wandte sich gegen ein Aufführungsverbot. "Das Video ist es nicht wert, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung kaputtmachen", sagte sie der Thüringer Allgemeinen. "Ein Verbot würde nur die, die diesen Schwachsinn zu verantworten haben, zu Opfern stilisieren." Die Bundestags-Vizepräsidentin bezeichnete das Video als "unsagbar dämlich" und "diffamierend".

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Die Meinungsfreiheit in Deutschland sei ein hohes Gut. "Das werfen wir auch nicht einfach weg", sagte Künast in der ARD.

Die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat rief die Kinobetreiber der Hauptstadt zu einem Boykott des islamfeindlichen Schmähvideos auf. "Man darf gezielter Provokation keinen Raum lassen", sagte die SPD-Politikerin dem RBB. Die rechtspopulistische Splitterpartei Pro Deutschland hatte angekündigt, den Film an einem Samstag im November zu zeigen - sollte sich kein Kinosaal finden, vermutlich in einer Art Lagerhalle.

"Es geht darum, es ihnen so unbequem wie möglich zu machen", sagte Kolat zu der geplanten Aufführung. Bislang haben die Berliner Muslime nach Meinung der Senatorin besonnen auf die Filmausschnitte im Internet reagiert, in denen der Prophet Mohammed verunglimpft wird. In der islamischen Welt hat das Video zum Teil blutige Proteste ausgelöst.

Rotes Kreuz nennt Schmähfilm eine Gefahr für humanitäre Arbeit

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte zuvor plädiert, eine Aufführung des Films, der den Propheten Mohammed verunglimpft, mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu unterbinden.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rieten dazu, ein Verbot zu prüfen. Leutheusser forderte die Gruppe Pro Deutschland in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf, das Video auf ihrer Seite nicht online zu stellen und ihre Pläne für eine öffentliche Vorführung fallenzulassen.

Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) sagte der Frankfurter Neuen Presse, nichts rechtfertige die Verletzung religiöser Gefühle. Genauso sei umgekehrt die Anwendung von Gewalt und Krawall durch nichts - auch nicht durch einen solchen Film - zu rechtfertigen.

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und frühere Bundesinnenminister Rudolf Seiters sieht in dem Schmähfilm eine Gefahr für die humanitäre Arbeit seiner Organisation. Die Arbeit des DRK würde mit Sicherheit beeinträchtigt, wenn dieser "unsägliche und unverantwortliche Film" in Deutschland gezeigt würde, erklärte Seiters in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1470884
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/odg
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.