Süddeutsche Zeitung

Mobilfunk:Eine Milliarde für guten Empfang

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Der Bund muss bei der Beseitigung von Funklöchern im deutschen Handynetz mit viel Fördergeld nachhelfen.

Von Markus Balser, Berlin

Nach lange vergeblichem Kampf gegen Funklöcher schaltet sich nun die Bundesregierung in den Ausbau des Mobilfunknetzes ein. Auf einem Mobilfunkgipfel mit Bundesländern und Konzernen kündigte Verkehrs- und Digitalminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag ein bundesweites Förderprogramm mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro an. So sollen mit Staatsgeldern noch immer bestehende weiße Flecken auf der Mobilfunkkarte an bis zu 5000 Orten beseitigt werden. Vor allem auf dem Land, wo der Ausbau der Netze für Mobilfunkfirmen kaum Gewinne verspricht, sollen so neue Masten entstehen. Die Netzbetreiber sollen sich an den Kosten beteiligen.

Der Handyempfang ist in Deutschland vielerorts noch immer miserabel. Schätzungen gehen davon aus, dass Landstriche mit zwei Millionen Einwohnern keine Verbindung zum Mobilfunknetz haben. Scheuer hatte die Mobilfunkanbieter Telekom, Vodafone und Telefónica bereits 2018 dazu verpflichtet, innerhalb von drei Jahren 99 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Handyempfang zu versorgen. Doch noch immer leiden ganze Regionen unter mangelndem Anschluss. Kunden können dagegen wenig machen. Ein Recht auf Handyempfang gibt es nicht. Und die Mobilfunkanbieter kommen ihrer Pflicht zur Netzabdeckung von großen Teilen der Bevölkerung schon nach, wenn nur einer seinen Kunden Empfang bietet. "Insbesondere im ländlichen Raum gibt es weiterhin unversorgte Gebiete und Haushalte", räumte Scheuer am Dienstag ein.

Gegensteuern will die Bundesregierung neben zusätzlicher finanzieller Förderung auch mit einer neuen Behörde. Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) soll mit Kommunen vor Ort Lösungen als Dienstleister erarbeiten. Die Mobilfunkbetreiber sollen zunächst erklären, in welchen Bereichen sie ihre Ausbauverpflichtungen erfüllen. In den verbleibenden Funklöchern soll die Gesellschaft den Ausbau sicherstellen. Sie soll ihre Arbeit im zweiten Halbjahr aufnehmen.

Zudem sollen die Genehmigungsverfahren für Masten beschleunigt werden. Standorte für Handymasten sollen künftig innerhalb einer Frist von drei Monaten genehmigt werden. Bislang dauert es oft bis zu 18 Monate, weil Bürger vor Ort protestieren. Dem will Scheuer mit einer Aufklärungskampagne im Internet und vor Ort begegnen. Außerdem will der Bund den Mobilfunkausbau an Bahnstrecken mit 150 Millionen vorantreiben. Die Opposition warf der Regierung am Dienstag in ihrer Digitalstrategie schwere Fehler über viele Jahre vor. "Das Verschwinden von Funklöchern kündigten diverse CSU-Minister seit Jahren an, ohne spürbaren Erfolg", sagte Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Grünen. Die Mobilfunkanbieter mit einer Milliarde Euro von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu entlasten, sei eine klare Steuerverschwendung, sagte Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken. Scheuer belohne damit letztlich die "Verzögerungstaktik der Unternehmen".

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SZ vom 17.06.2020
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