Süddeutsche Zeitung

Migranten:Nicht einmal jeder Zweite bekommt einen Platz im Integrationskurs

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Von Jan Bielicki, München

Das Angebot an Integrationskursen, in denen Zuwanderer Deutsch lernen, ist heuer enorm gestiegen - und kann doch nicht Schritt halten mit der noch deutlich stärker wachsenden Nachfrage nach diesen Kursen.

Zahlen aus dem Bundesinnenministerium zeigen, dass immer mehr Menschen, die das Recht oder die Pflicht haben, einen Kurs zu besuchen, auf einen Platz warten müssen. Danach haben von Januar bis August dieses Jahres etwa 171 000 Zuwanderer einen Integrationskurs begonnen. Das waren in acht Monaten annähernd so viele wie im ganzen Vorjahr.

45 Prozent der neuen Kursteilnehmer waren Flüchtlinge aus Syrien

Allerdings hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im gleichen Zeitraum bereits mehr als doppelt so vielen, nämlich 366 000 Interessenten eine Teilnahmeberechtigung ausgestellt. Das geht aus Zahlen hervor, die der Bundestagsabgeordnete Roland Claus (Linke) beim Bundesinnenminister erfragt hat und die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Zwar hinkt die Zahl der neuen Kursteilnehmer derjenigen der Berechtigungen natürlich hinterher, weil es zwischen Scheinausgabe und Kursbeginn immer zu Verzögerungen kommt. Darüber, wie viele Interessenten tatsächlich wegen fehlender Angebote keinen Kurs besuchen konnten, "liegen dem Bamf keine Erkenntnisse vor", heißt es in der Antwort des Innenministeriums.

Allerdings ist das Verhältnis zwischen Teilnahmeberechtigten und Kursteilnehmern in den ersten acht Monaten dieses Jahres deutlich stärker im Ungleichgewicht als in den Jahren zuvor. 45 Prozent der neuen Kursteilnehmer waren Flüchtlinge aus Syrien, jeder fünfte Sprachschüler kam aus einem EU-Land. Im laufenden Bundeshaushalt sind zwar immerhin 559 Millionen Euro für Integrationskurse eingestellt. Bis August waren davon aber erst 262 Millionen Euro ausgegeben. Im nächsten Jahr möchte die Bundesregierung den Kursetat auf 610 Millionen Euro aufstocken, ein Antrag der Linken, dafür knapp 900 Millionen Euro auszugeben, lehnte die Koalition im Innenausschuss ab.

Die Regierung habe "immer den Eindruck vermittelt, Flüchtlinge müssten zum Spracherwerb gezwungen werden", kritisierte die linke Abgeordnete Sevim Dağdelen, dabei reiche das Sprachkursangebot "offenkundig bei Weitem nicht aus".

Dabei scheint Geld nicht das größte Problem zu sein, es geht darum, Lehrer zu finden. 20 000 Lehrkräfte hat das Bamf 2015 und 2016 zugelassen, allerdings gaben in den vergangenen zwölf Monaten nur 15 000 Lehrer Unterricht. Einen Schub erwartet die Bundesregierung davon, dass sie nicht nur die Zuschüsse an die Träger, sondern seit Juli auch das Mindesthonorar für die Lehrer kräftig von 23 auf 35 Euro pro Stunde erhöht hat.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2016
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