Süddeutsche Zeitung

Corona-Proteste:Betrug in fast 10 000 Fällen?

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Michael Ballweg, Kopf der "Querdenken"-Proteste in Stuttgart, soll Spenden veruntreut und Steuern hinterzogen haben. Die Staatsanwaltschaft will ihn anklagen.

Von Roland Muschel, Stuttgart

Der "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg soll sich vor Gericht wegen versuchten Betrugs in 9450 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung verantworten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wirft die Staatsanwaltschaft Stuttgart in ihrer erneuerten Anklageschrift Ballweg vor, finanzielle Zuwendungen für seine Organisation in Millionenhöhe eingeworben, einen Teil der Mittel aber für private Zwecke genutzt zu haben. Während Ballweg auf der "Querdenken"-Homepage und anderen Kanälen suggeriert habe, Zuwendungen würden ausschließlich zweckgebunden für "Querdenken 711" verwendet, habe er rund 575 000 Euro für private Zwecke eingesetzt.

Einen Teil dieser Summe habe er seinem Privatvermögen zugeschlagen, einen anderen Teil in zehn Tranchen als angebliche Darlehen an die Stuttgarter "Media Access GmbH" überwiesen, deren Alleingesellschafter Ballweg ist. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte auf Anfrage, dass dem Angeklagten "nach der aktuellen prozessualen Lage versuchter Betrug und Steuerstraftaten zur Last gelegt" würden. Der Beschuldigte selbst bestreitet Betrugsvorwürfe. Sein Mandant habe mehr Geld für "Querdenken 711" ausgegeben als an Zuwendungen hereingekommen seien, sagte Ballwegs Anwalt Ralf Ludwig der SZ.

Der Vorwurf der Geldwäsche ist vom Tisch

Ballweg hatte als Kopf der von ihm ins Leben gerufenen Organisation "Querdenken 711" vom Frühjahr 2020 an Proteste gegen Corona-Schutzmaßnahmen organisiert, zunächst in Stuttgart, später bundesweit.

Eine erste Anklage der Staatsanwaltschaft, in der sie Ballweg auch der Geldwäsche beschuldigt hatte, war vom Landgericht Stuttgart nicht zugelassen worden. Es sah keinen hinreichenden Verdacht einer Täuschung der Unterstützer über die Verwendung der Zuwendungen. Das Oberlandesgericht Stuttgart gab indes im Januar 2024 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung statt: Ballweg sei des versuchten Betrugs hinreichend verdächtig. Der Vorwurf der Geldwäsche sei aber vom Tisch. Das Oberlandesgericht folgte dem Landgericht bei der Einschätzung, dass bei Ballweg keine Fluchtgefahr und somit kein Haftgrund bestehe.

Ballweg war im April 2023 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Er hatte zuvor neun Monate in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim verbracht, da die Staatsanwaltschaft von einer Fluchtgefahr ausgegangen war.

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