Süddeutsche Zeitung

Merkel-Nachfolge:Kronprinzen in Gefahr

Lesezeit: 2 min

Das Feld der Merkel-Nachfolger war ganz gut bestellt - mit Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière zum Beispiel. Doch beide sind nun in Affären verstrickt. Das könnte die Kanzlerin in eine ungemütliche Lage bringen.

Kommentar von Nico Fried

Wenn Angela Merkel bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal antritt, dann könnte das auch mit der zu Ende gehenden Woche zu tun haben. Stets galten Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière als potenzielle Nachfolger der Bundeskanzlerin. Aber die Affären, mit denen sich die Verteidigungsministerin und der Innenminister herumschlagen müssen, verwandeln den Wettlauf um die beste Ausgangsposition dieser Tage in ein Duell, in dem es eher darum geht, wer politisch den Kopf länger über Wasser halten kann.

Von der Leyen und de Maizière machen gerade die Erfahrung, dass Vertrauen schneller verloren geht, als Wahrheit gefunden wird. Noch ist beiden Ministern im Umgang mit dem Sturmgewehr G36, dem Ruf nach dem militärischen Geheimdienst MAD oder der Kooperation von BND und NSA kein gravierendes Fehlverhalten nachgewiesen worden. Doch die fortwährende Erwähnung in Verbindung mit schweren und minder schweren Vorwürfen hinterlässt Spuren im öffentlichen Ansehen.

Der Innenminister muss sich einem ganzen Topf voller Fragen stellen

De Maizière befindet sich in der größeren Notlage, weil ihm ein ganzer Topf voll Fragen angerührt worden ist, die verschiedene Ämter und Phasen seiner Regierungszeit betreffen, angefangen im Kanzleramt, wo er die Aufsicht über die Nachrichtendienste hatte, weiter über das Verteidigungsressort, bis in seine aktuelle zweite Runde als Innenminister. De Maizière, der gewiss nicht in der ersten Reihe unter den wenigen Politikern mit besonderer Ausstrahlung steht, hat dieses Manko mit Tugenden ausgeglichen, die man in Deutschland an guten Beamten schätzt: Sorgfalt, Sachkompetenz und Fleiß. All das steht nun in Zweifel. Dass das Gefühl der Bürger ihm gegenüber offenbar noch schlechter ist als die Faktenlage, bietet da keinen Trost.

Für von der Leyen ist die Situation aber nur unwesentlich komfortabler. Sie steckt zwischen Anspruch und Loyalität. Ihre Aufklärung von Fehlern im Verteidigungsressort läuft für sie selbst schon nicht besonders reibungslos. Mindestens ebenso problematisch ist jedoch das Empfinden nicht nur mancher Unions-Abgeordneter, dass von der Leyen einseitig zu Lasten des Vorgängers durchfegt.

Der Bundeskanzlerin gehen die potentiellen Nachfolger aus

Merkel mag es als angenehm empfinden, unangefochten zu sein. Doch es wird für die Kanzlerin zum Problem, unersetzlich zu sein. Sie ist nicht mehr die neue, unterschätzte Regierungschefin, die sich beweisen muss und der jeder Konkurrent weniger zur Machtabsicherung gelegen kommt. Früher musste sie hinter jeder Hecke im Garten der CDU einen Angreifer vermuten, heute kann sie lange suchen - da sitzt keiner mehr.

Das schränkt Merkels Optionen ein, über ihren Abgang selbst zu entscheiden. Die Wahl 2017 wäre die dritte Titelverteidigung nach zwölf Jahren im Amt. Da darf man nicht mehr nur aufs Drinbleiben achten, man muss auch ans Rauskommen denken. Und es ist zumindest möglich, dass Merkel bis 2017 nicht nur Kraft, sondern sogar die Freude am Amt verliert - und manche Wähler an ihr. Ohne potenziellen Nachfolger wäre es dann weniger eine Kandidatur aus freiem Willen, denn aus Mangel an Alternativen und Loyalität zur Partei. Weiterzumachen kann in diesem Falle kurzfristig einfacher sein als aufzuhören - aber auf lange Sicht nicht unbedingt besser.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2470684
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.05.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.