Süddeutsche Zeitung

Merkel in Ägypten:Halten! Stützen! Stabilisieren!

Lesezeit: 3 min

Mit Ihrem Besuch in Ägypten will Kanzlerin Merkel einem schwer angeschlagenen Land helfen, das auf keinen Fall mit ins Bodenlose stürzen sollte. Dabei handelt sie keineswegs nur selbstlos.

Von Stefan Braun, Kairo

Angela Merkel lobt die "besonderen Beziehungen" zu Ägypten, Abdel Fattah al-Sisi begrüßt den "lieben Gast" aus Deutschland. Die Kanzlerin verweist auf "die zentrale Rolle Kairos im Nahen Osten", der ägyptische Präsident freut sich über die "enge Partnerschaft" mit den Deutschen. Im Präsidentenpalast zu Kairo zeigt sich schnell, was beide signalisieren möchten: Wir helfen uns, wir arbeiten zusammen.

Rhetorisch ist derlei nicht außergewöhnlich. Solche Worte fallen oft, wenn die Kanzlerin zu Besuch ist. Freundlich sind die meisten. In diesem Fall aber ist es von besonderer Bedeutung. Ägypten ist mit seinen gut 92 Millionen Einwohnern so groß wie kein anderes Land in dieser gebeutelten Weltgegend. Keines ist so wichtig, um zwischen den Krisen in Libyen, in Syrien, im Jemen wenigstens eine gewisse Stabilität zu gewährleisten. Und kaum eines kann Europa derzeit mehr dabei helfen, in Nordafrika keine weiteren Flüchtlingsrouten entstehen zu lassen.

Wirklich stabil ist Ägypten durch al-Sisi nicht geworden

Deshalb ist Merkel zehn Jahre nach ihrem letzten Besuch wieder an den Nil gekommen. Sie will unbedingt verhindern, dass das Land in einen ähnlichen Strudel gerät wie viele seiner Nachbarn. Also ist auf dieser Reise viel von Stabilisierung die Rede. Merkel sagt es, ihre Leute sagen es. Ganz so, als müsste Ägypten gestützt und behütet werden. Dabei unternimmt al-Sisi sprichwörtlich alles, um sein Land stark erscheinen zu lassen, vor allem im Kampf gegen den Terror - oder gegen das, was für ihn danach aussieht. Mit harter Hand geht er nicht nur gegen Terroristen vor, sondern gegen so gut wie alle, die anders denken und von ihm als Gefahr betrachtet werden.

Wirklich stabil ist das Land dadurch nicht geworden. Politisch nicht, wirtschaftlich nicht und sozial erst recht nicht. Das ist es, was Berlin so viele Sorgen bereitet. Was würde passieren, wenn auch dieses Land wackelt? Was, wenn plötzlich Millionen Menschen aus Ägypten nach Europa aufbrechen würden? Das will sich in Brüssel und Berlin niemand ausmalen. Deshalb der Besuch hier und heute: Er soll Katastrophen verhindern helfen.

Und so hat Merkel Hilfe im Gepäck. Sie kündigt einen zusätzlichen Kredit von 250 Millionen Euro an. Er soll 2018 fließen und einen Kredit gleicher Höhe ergänzen, der für 2017 bereits gewährt wurde. Mit beiden sollen die harten Bedingungen abgefedert werden, die sich aus den Auflagen eines IWF-Programms ergeben. Lebensmittelpreise steigen, Importe verteuern sich heftig. Merkel spricht von "harten Herausforderungen", mit denen Ägypten derzeit kämpfe.

Dabei aber will die Kanzlerin es nicht belassen. Für wirklich stabil hält sie das Land erst, wenn die Zivilgesellschaft nicht mehr brutal unterdrückt wird. So offen spricht sie das nicht aus, auch nicht in den internen Gesprächen. Aber sie betont, dass mehr Öffnung, mehr Vielfalt, mehr Zivilgesellschaft Not tut, soll die Lage wirklich besser werden. Von einer "größeren Widerstandsfähigkeit" spricht sie, wenn eine Gesellschaft offener sein darf - und freut sich, dass wenigstens der jahrelange Streit um die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen gelöst werden konnte. Ein Zusatzprotokoll zum Kulturabkommen zwischen Berlin und Kairo soll künftig die rechtliche Grundlage für deren Arbeit bilden. Ohne das wären sie unter ein sehr rigides Gesetz für Nichtregierungsorganisationen gefallen. "Schwer auf der Seele" habe Berlin das gelegen, berichtet Merkel. Immerhin seien die Stiftungen eine große Hilfe bei der Stärkung der Zivilgesellschaft.

Das freilich ist nur der eine Grund für die leise Freude. Froh ist man in Berlin auch, weil man hofft, dass damit eine mächtige Hürde für eine engere Kooperation in der Flüchtlingsfrage aus dem Weg geräumt werden konnte. Ohne das wäre der Versuch, noch enger mit Kairo zusammenzuarbeiten, auf massive Kritik gestoßen. Dabei betont Merkel ausdrücklich, dass es nicht um ein Abkommen wie dem mit der Türkei gehe. Dieses ist viel zu umstritten, um noch als Vorbild zu gelten.

Erste Verabredungen gibt es nun trotzdem - und die erinnern teilweise sehr an das, was man schon kennt: Hilfe beim Grenzschutz, an Land und bei der Küstenwache; Unterstützung bei der Betreuung von Flüchtlingen, damit diese Chancen auf ein besseres Leben erhalten; dazu eine enge Zusammenarbeit beim Kampf gegen Schleuser und Schlepper, denen man das Handwerk legen möchte.

Am Ende ist es doch wieder das gleiche, was helfen soll gegen die nächste, wohl noch größere Flüchtlingskrise.

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