Süddeutsche Zeitung

Meine Presseschau:Trumps Zölle treffen China unvorbereitet

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Jenseits der Propagandapresse überwiegt die Skepsis: Viele Kommentatoren fürchten, dass China einem Handelskrieg nicht gewachsen ist.

Von Kai Strittmatter

Beginnt jetzt der Handelskrieg zwischen China und den USA? Am Freitag kommender Woche will US-Präsident Donald Trump die ersten Strafzölle auf chinesische Einfuhren im Wert von 50 Milliarden US-Dollar in die USA erheben. Die rhetorische Schlacht in den Medien hat längst begonnen. "Im Handelsstreit verlieren die USA ihre internationale Legitimation", titelte die Pekinger Global Times diese Woche. Die Staatspresse insgesamt wiederholte immer wieder die Ansage des Partei- und Staatschefs Xi Jinping, wonach China sofort und "mit aller Macht" zurückschlagen werde.

So weit, so erwartbar. Interessanter ist anderes. Zum Beispiel worüber mit einem Male nicht mehr geschrieben wird in Chinas Presse, die ausnahmslos von der Partei kontrolliert wird: Die "Made in China 2025"-Initiative, mit der Chinas Führung ihre Ambitionen ankündigte, in vielen Zukunfts- und Hi-Tech-Branchen die Nummer eins der Welt zu werden, ist praktisch über Nacht verschwunden aus Politiker-Statements und den Medien in China. Und zwar auf Befehl von ganz oben, wie die Hongkonger South China Morning Post unter Berufung auf Parteikreise schreibt: Der Führung in Peking habe nämlich gedämmert, dass sie mit ihrem "2025"-Schlachtruf die Welt - und Donald Trump - erst aufmerksam gemacht hat auf ihre Pläne, den Widerstand also quasi selbst heraufbeschworen hat.

Noch interessanter sind die nachdenklichen Stimmen innerhalb Chinas, die sich nun melden und argumentieren, China habe sich zuletzt selbst überschätzt, vor allem in den Zukunftsindustrien sei das Land noch lange nicht gerüstet für einen Handelskrieg. Die Science and Technology Daily widmete eine ganze Artikelserie all den Feldern, auf denen China noch zurückliege. "Die riesige Kluft in Wissenschaft und Technologie zwischen China und dem Westen sollte Allgemeinwissen sein und eigentlich etwas Normales", meinte der Chefredakteur der Zeitschrift, Liu Yadong. "Sie wurde aber zum Problem in dem Moment, als einige unsere Errungenschaften aufbliesen ... und damit die Führung, die Öffentlichkeit und sogar sich selbst täuschten."

Kritische Stimmen fanden sich vor allem jenseits der Propagandapresse, in sozialen Medien wie Wechat. "Es sieht so aus, als ob Chinas Beamte mental unvorbereitet waren auf den kommenden Handelskonflikt", schrieb der Ökonom Gao Shanwen in einem Kommentar: Plötzlich seien "antichinesische Haltungen innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit und der Regierungspartei zum Konsens" geworden. Auch der Starökonom Ren Zeping von der Evergrande-Gruppe warnt vor einem Handelskrieg, der im schlimmsten Falle eskalieren könnte "zu einem Finanzkrieg, einem Wirtschaftskrieg und einem geopolitischen Krieg".

Dass man diese Mahnungen nur außerhalb der Propagandapresse findet, hat einen Grund: Indirekt versteckt sich dahinter Kritik am Kurs von Parteichef Xi Jinping. Manche meinen, er habe mit seinem aktionistischen und manchmal auch aggressiven außenpolitischen Auftreten die chinakritische Stimmung verstärkt.

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Quelle:
SZ vom 30.06.2018
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