Süddeutsche Zeitung

Mehr Neugeborene in Deutschland:Verblüffendes Geburtenwunder

Warum erst vier Jahre nach Einführung des Elterngeldes? Warum mitten in der Krise? Hält der Baby-Boom an, zählt er zum Erstaunlichsten, was die Demographie erklären muss. Doch Hektik schadet der Debatte.

Felix Berth

In der demographischen Debatte wäre mehr Geduld angebracht. Seit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 wird jede veröffentlichte Kinderzahl hektisch unter einem einzigen Aspekt analysiert: Entscheiden sich Paare häufiger für Kinder oder nicht?

Die Antworten auf diese Frage fallen unterschiedlich aus - je nach Grundeinstellung. Hält jemand das Elterngeld für sinnvoll, weil es die Sicherheit junger Paare erhöht, so wird auch der kleinste positive Trend bei den Geburtenraten in eine Erfolgsmeldung umgedeutet. Hält jemand das Elterngeld für einen Auswuchs des Wohlfahrtsstaates, betont man lieber, dass die Kinderzahl nicht gestiegen ist.

Die neuen Zahlen, die das Statistische Bundesamt nun dezent auf seiner Homepage veröffentlicht, passen weder zur einen noch zur anderen Theorie. Denn 2010 scheinen sich die Deutschen wieder erheblich häufiger fürs Kinderkriegen zu entscheiden. Aber wieso jetzt, vier Jahre nach Einführung des Elterngeldes? Und wieso gerade dann, wenn die Wirtschaft eine enorme Krise bewältigen muss?

Sofern der Trend der zurückliegenden Monate bis zum Jahresende anhält und von den amtlichen Statistikern nicht noch korrigiert wird, zählt er zum Verblüffendsten, was die Demographie erklären muss.

Möglicherweise kommt nun eine Entwicklung zu ihrem Ende, welche die vergangenen Jahre geprägt hat: Frauen in Deutschland wurden immer später Mütter. Diese Verschiebung ist freilich nicht auf ewig möglich - irgendwann vor dem 40. oder 45. Geburtstag ist eine endgültige Entscheidung nötig.

Denkbar, dass sich nun überraschend viele dieser Frauen für Kinder entschieden haben. Genauer wird man es erst in ein paar Monaten wissen. Bis dahin: Geduld.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2010
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