Süddeutsche Zeitung

Malta:Kronzeuge in einer Blutlache

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Im Mordfall Daphne Caruana Galizia wird ein Mittelsmann schwer verletzt aufgefunden.

Von Andrea Bachstein und Hannes Munzinger, München

In einer Blutlache mit Stichwunden am Hals, Verletzungen unterhalb der Rippen und am linken Handgelenk, so fanden am Dienstagabend maltesische Polizisten den Mann, der Kronzeuge ist im Prozess um den weltweit aufsehenerregenden Mord an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia. Am Mittwochvormittag hätte Melvin Theuma wieder aussagen sollen vor Gericht. Stattdessen teilte Maltas Polizeichef Angelo Gafà in der Hauptstadt La Valletta vor der Presse mit, alles weise daraufhin, dass Theuma sich die Verletzungen selbst zugefügt habe: Er habe das Messer noch in der Hand gehabt, als ein Polizist, der zu seinem Schutz vor seiner Wohnung postiert war, ihn im Schlafzimmer auffand. Theumas Anwältin habe ihn nicht erreichen können und besorgt den Polizisten informiert. Theuma stand seit vergangenem Jahr unter Polizeischutz, zunächst sogar innerhalb seiner Wohnung, bis er das ablehnte. Es gebe keine Spuren eines Abwehrkampfes, die Wohnung sei verschlossen gewesen. Und ehe Theuma ins Krankenhaus gebracht wurde, habe er dem leitenden Ermittler noch gesagt, dass er es selbst getan habe. Theumas Zustand sei nach einer Operation stabil, teilte Maltas oberster Polizist nun mit.

Was den früheren Taxifahrer Theuma zu diesem Akt getrieben habe, wusste Gafà nicht zu sagen, Ermittlungen seien eingeleitet. Dass er Angst um sein Leben hatte, sich depressiv fühle, hatte Melvin Theuma einmal vor Gericht erzählt. Und auch, dass sein Leben eigentlich vorbei gewesen sei, am Tag als die Autobombe das Leben Daphne Caruana Galizias auslöschte, dem 16. Oktober 2017. Theuma will die drei Männer angeheuert haben, welche die Bombe im Auto der Journalistin platzierten und zündeten. Er gilt als Mittelsmann, der für die handelte, für die Caruana Galizias Recherchen gefährlich waren. Der maltesische Geschäftsmann Yorgen Fenech wird beschuldigt, Drahtzieher des Mordes gewesen zu sein. Gegen ihn läuft ein Prozess, in dem Theuma aussagen sollte. An diesem Mittwoch sollte es um heimliche Gesprächsaufzeichnungen gehen.

Theuma war im November 2019 festgenommen worden. Die Polizei verdächtigte ihn, in illegales Glücksspiel verwickelt zu sein. Theuma aber verlangte umgehend Kontakt zum leitenden Ermittler im Verfahren zur Ermordung Daphne Caruana Galizias, legte ein Geständnis ab und wurde so eher zufällig der wichtigste Zeuge für das Verfahren. Der Premierminister garantierte ihm im Gegenzug Straffreiheit. Vor den Ermittlern und später vor Gericht gestand er, dass er als Mittelsmann Teil des Mordkomplotts gewesen sei. Laut eigener Aussage organisierte er die Kommunikation zwischen dem mutmaßlichen Drahtzieher Yorgen Fenech und den drei mutmaßlichen Auftragsmördern.

Die waren bereits Wochen nach dem Mordanschlag bei einer Razzia Anfang Dezember 2017 im Hafen Maltas festgenommen worden. Die maltesische Polizei hatte sie mithilfe internationaler Ermittler vor allem anhand ihrer Mobilfunkdaten überführen können. Melvin Theuma soll danach auch Kontakt zu deren Familien gehalten und sie mit Geld versorgt haben. Yorgen Fenech wurde im November 2019 während eines Fluchtversuchs auf seiner Yacht festgenommen und später angeklagt.

Als entscheidende Beweise im Verfahren gegen Fenech wurden Tonaufnahmen präsentiert, die Melvin Theuma während seiner Gespräche mit dem Geschäftsmann heimlich aufgenommen und gewissermaßen als Lebensversicherung aufbewahrt hatte. Die Verteidigung Fenechs hält Teile der Aufnahmen aber auch für entlastend. Zu genau solchen Aufnahmen hätte Theuma am Mittwoch aussagen sollen.

Fenechs Festnahme hatte die Mordermittlungen endgültig in das unmittelbare Umfeld des damaligen Premiers Joseph Muscat geführt. Denn Fenech belastete dessen Stabschef und Strippenzieher Keith Schembri, Teil des Mordkomplotts gewesen zu sein. Schembri streitet bis heute alle Vorwürfe ab. Seine vorübergehende Festnahme leitete aber eine Reihe von Rücktritten und damit das Ende der Regierung Muscat Anfang Dezember 2019 ein.

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SZ vom 23.07.2020
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